Kommentar

Text

Hintergrund

Die Anwendung neu zugelassener NASH spezifischer Medikamente im Fibrosestadium F1 oder F2 kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Nutzen und Risiken einer Anwendung neu zugelassener NASH spezifischer Medikamente im Fibrosestadium F4 sind derzeit unklar. Neue Therapieansätze, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden, sind für die Zukunft sehr viel versprechend. Bislang fehlt aber der wissenschaftliche Nachweis, dass diese Substanzen das langfristige Outcome (Überleben, kardiovaskuläre Ereignisse, Krebserkrankungen, Leber-assoziierte Komplikationen) verbessern. Als „Surrogat“ für solche langfristigen Outcome-Daten wird von den europäischen und amerikanischen Zulassungsbehörden eine erhebliche Verbesserung der Leberhistologie durch die Intervention gegenüber einer Vergleichsbehandlung (derzeit Plazebo) für eine „konditionale Zulassung“ akzeptiert. Hierbei wird gefordert, dass in der Folgebiopsie entweder die histologischen Merkmale der NASH wie Ballooning und Inflammation ohne Verschlechterung der Fibrose verschwunden sind („NASH-Resolution“) und/oder die Leberfibrose um mindestens einen Schweregrad gebessert ist, ohne Verschlechterung der NASH-Charakteristika („Fibrosis Improvement“) [Rinella, M. E. et al. 2019], [Anania, F. A. et al. 2020]. Der wichtigste Aspekt ist dabei die signifikante Reduktion der prognostisch relevanten hepatischen Fibrose durch NASH spezifische Medikamente. Da diese Endpunkte klinisch plausibel und wissenschaftlich akzeptiert sind, sollte erwogen werden Patienten mit einer entsprechenden Risikokonstellation, d.h. insbesondere mit fortgeschrittener brückenbildender Fibrose (F3) und/oder hoher Krankheitsaktivität und/oder schweren kardiometabolischen Risikofaktoren, bevorzugt in klinische Studien einzuschließen, die diese Endpunkte untersuchen. Selbst wenn die Patienten im Rahmen der Studie nur Plazebo erhalten, profitieren sie generell von der engen Überwachung und Lebensstil-Beratung, wie sich aus „Plazebo-Ansprechraten“ für die histologischen Endpunkte ableiten lässt, die etwa zwischen 15-35% liegen [Han, M. A. T. et al. 2019].

Derzeit werden eine Reihe von Substanzen in klinischen Phase 3 und Phase 2 Studien untersucht [Friedman, S. L. et al. 2018], [Konerman, M. A. et al. 2018], [Lambrecht, J. et al. 2020], [Roeb, E. et al. 2019], deren Wirkmechanismus im Bereich der pathophysiologischen Prozesse des Glukose-Metabolismus, der Hemmung der de novo Lipogenese, der Inflammation oder Fibrogenese liegen. Die Substanzklassen umfassen Agonisten der nukleären Rezeptoren FXR (bzw. dessen Wirkungsvermittler Fibroblast-Growth-Factor/FGF19) und PPAR, Chemokinrezeptor (CCR) Inhibitoren, Thyroidhormonrezeptor-ß (THR-ß) Agonisten, Inhibitoren lipogener Schlüsselenzyme wie FASN und SCD-1 sowie enterohepatischer Hormone und deren Analoga wie Glucagon-like-Peptide-1 (GLP-1), FGF19 oder FGF21. Auch Medikamente mit primär anti-diabetischem Wirkansatz wie die Gruppe der SGLT2 Inhibitoren sind hier zu nennen.

In Phase 3 befinden sich derzeit Obeticholsäure (FXR-Agonist), Lanifibranor (PPAR Agonist), Semaglutid (GLP-1 Rezeptoragonist), Resmetirom (THR-ß Agonist) sowie Aramchol (SCD-1 Inhibitor) (siehe Anhang, Tabelle "Randomisierte kontrollierte Studien neuartiger NAFLD Substanzen"). Nur für die Obeticholsäure liegen positive Daten einer Interimsanalyse bezüglich der Fibroseverbesserung als co-primärem Endpunkt vor (REGENERATE Studie) [Younossi, Z. M. et al. 2019]. Mehrere Substanzen erbrachten in der Phase 3 keine positiven Ergebnisse und werden daher als Einzelsubstanzen in der Indikation nicht mehr weiterentwickelt: Elafibranor (PPARα/δ Agonist), Cenicriviroc (CCR2/5 Inhibitor) und Selonsertib (ASK1-Inhibitor). Weitere FXR-Agonisten (Tropifexor, Cilofexor), rekombinantes FGF19 (Aldafermin), verschiedene Varianten des FGF21 (Pegbelfermin, Efruxifermin), GLP1-Analoga (Liraglutid, Semaglutid) und Pan-PPAR Agonisten (Lanifibranor) zeigten in Phase 2 Studien teils vielversprechende Ergebnisse [Francque, S. M. et al. 2021] (siehe Anhang, Tabelle "Randomisierte kontrollierte Studien neuartiger NAFLD Substanzen").

Nach aktuellem Stand ist Obeticholsäure als einziges Medikament mit einem signifikanten Benefit auf die Fibrose in der Phase 3 Interimsanalyse der primäre Kandidat für die erste konditionale Zulassung; diese wurde bis zum Zeitpunkt der Leitlinienveröffentlichung noch nicht gewährt [Mullard, A. et al. 2020]. NASH Therapien werden perspektivisch möglicherweise eher in einer Kombination zweier oder mehrerer Medikamentenklassen mit komplementärem Wirkansatz bestehen, um ein optimales Therapieansprechen zu erzielen. Solche Kombinationsbehandlungen werden bereits in klinischen Studien untersucht (z.B. Tropifexor plus Cenicriviroc, Semaglutid plus FXR Agonist) und beinhalten zumeist einen FXR Agonisten (siehe Anhang, Tabelle "Randomisierte kontrollierte Studien neuartiger NAFLD Substanzen").

Über additive oder synergistische Effekte kann derzeit aufgrund der geringen Fallzahlen verfügbarer Phase 2 Daten keine Aussage gemacht werden [Lambrecht, J. et al. 2020], [Roeb, E. et al. 2019], [Loomba, R. et al. 2021]. Die Tabelle im Anhang und aktuelle Reviewartikel geben einen Überblick über laufende Studien und zukünftige Therapieoptionen [Rau, M. et al. 2021].

Offen bleibt auch die Frage nach der Zielgruppe einer zukünftigen spezifischen medikamentösen NASH-Therapie. Einige der jüngst durchgeführten Phase 3 Studien haben Patienten im Fibrosestadium F1 im Falle begleitender Risikofaktoren eingeschlossen, während andere mindestens F2 oder gar ausschließlich F3 als Zielpopulation definiert haben. Primär kommen vor allem Patienten mit weiter fortgeschrittener Fibrose mit hoher Dringlichkeit in Betracht, denn hier ist sowohl die leberassoziierte als auch die extrahepatische Mortalität signifikant erhöht [Taylor, R. S. et al. 2020]. Es bleibt zu klären, inwiefern Patienten mit früheren Fibrosestadien oder nur diese mit dem unmittelbar höchsten Progressionsrisiko bei F3 eine spezifische medikamentöse Therapie erhalten sollten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es nur sehr wenige Studiendaten (Phase 2 oder 3) für pharmakologische Therapien bei der NASH Zirrhose [Rinella, M. E. et al. 2019].

Für die Zukunft sind verstärkt „personalisierte” Therapiekonzepte zu erwarten. Dies könnte die gezielte „Korrektur” der intestinalen Mikrobiota zur Verringerung der NAFLD und kardiometabolischer Komorbiditäten umfassen [Acharya, C. et al. 2020] oder gezielte Therapien basierend auf einer genetischen Risikostratifizierung. Das klassische Beispiel hierfür wäre der Einzelnukleotid-Polymorphismus (SNP) im patatin-like phospholipase domain-containing 3 Gen (PNPLA3), rs738409, welcher für die Missense-Mutation p.I148M kodiert. Durch gezielte Medikamente (z.B. Antisense-Oligonukleotide, Tyrosinkinaseinibitor Momelotinib) könnten PNPLA3-Spiegel bei 148M-homozygoten Personen und damit ein Pathomechanismus für die Progression gehemmt werden [Lindén, D. et al. 2019], [Schwartz, B. E. et al. 2020].

Tags
Literature
Literatur Referenzen