Kommentar
Hintergrund
Es haben sich verschiedene Operationsverfahren etabliert wobei die laparoskopische Schlauchmagenresektion (Sleeve-Gastrektomie, SG) und die laparoskopische Roux-Y-Magen-Bypass-Operation (RYGB) in Deutschland und weltweit am häufigsten eingesetzt werden. Der laparoskopische Ein-Anastomosen-Magenbypass (One-Anastomosis Gastric Bypass, OAGB) wird ebenfalls zunehmend häufig eingesetzt. Bezüglich der Effektivität und Nutzen-Risiko-Analyse der verschiedenen Verfahren gibt es bisher keine abschließende Beurteilung. Die randomisiert-kontrollierten Studien mit Follow-up von 5 Jahren, welche die SG und den RYGB vergleichen, zeigen ein insgesamt gleichwertiges Ergebnis. Der RYGB führt zu einem marginal besseren Gewichtsverlust (ca. 1-2 BMI-Punkte nach 5 Jahren) während die SG weniger Komplikationen und Re-Operationen aufweist [Peterli, R. et al. 2018], [Salminen, P. et al. 2018]. Allerdings steht bei der SG ein deutlich erhöhtes De-Novo-Refluxrisiko im Raum mit konsekutivem Risiko für die Entwicklung eines Barrett-Ösophagus und einem damit assoziierten Ösophaguskarzinom [Salminen, P. et al. 2018], [Robert, Maud et al. 2019]. Entsprechende Langzeitdaten fehlen, daher ist eine Nachsorge der Patienten mit SG mittels ÖGD unabdingbar. Eine randomisiert-kontrollierte Studie, welche den RYGB mit dem 200cm-OAGB vergleicht, zeigte nach zwei Jahren Follow-up einen vergleichbaren Effekt auf den Gewichtsverlust und das metabolische Outcome. Der OAGB war in der Studie allerdings mit einer signifikant höheren Rate an Mangelerscheinungen assoziiert [Robert, Maud et al. 2019]. Deren Bedeutung ist aktuell noch ungeklärt, da sie hauptsächlich zu einer Anämie führten und es nur in wenigen Fällen zu einem relevanten Proteinmangel kam, der für Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion von Bedeutung sein könnte.
Das Magenband ist bezüglich des langfristigen Gewichtsverlustes und der metabolischen Effekte den anderen Verfahren unterlegen und sollte deshalb nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden [Colquitt, J. L. et al. 2014]. Obwohl die biliopankreatischen Diversionen (Scopinaro und Duodenal Switch) die stärksten metabolischen Effekte haben, ist deren Einsatz durch die Nebenwirkungen und insbesondere das Auftreten von Mangelernährung limitiert [Colquitt, J. L. et al. 2014].
Bezüglich Effektivität der verschiedenen Operationsverfahren bei NAFLD ist aufgrund der begrenzten Datenlage keine abschließende Beurteilung möglich. In Studien mit histologischen Untersuchungen im Rahmen der initialen Operation und im Follow-up finden sich widersprüchliche Ergebnisse. Die Arbeiten von Froylich et al. und von Schönfels et al. verglichen den RYGB mit der SG [Froylich, D. et al. 2015], [von Schonfels, W. et al. 2018]. Während Froylich et al. keinen Unterschied zwischen RYGB und SG fanden, zeigten von Schönfels et al. eine häufigere Normalisierung der Leberhistologie nach SG. Beim Vergleich des RYGB mit dem Magenband konnten Caiazzo et al. die deutliche Überlegenheit des RYGB gegenüber dem Magenband bezüglich Verbesserung der Leberhistologie zeigen [Caiazzo, R. et al. 2014]. Weitere Studien mit Langzeitergebnissen und histologischen Endpunkten sind dringend notwendig, um das beste Verfahren für die NAFLD bestimmen zu können.
Die Sicherheit der verschiedenen Operationsverfahren sollte im Rahmen der Anwendung bei NAFLD-Patienten sorgfältig berücksichtig werden. Das Leberversagen nach Adipositaschirurgie ist eine sehr seltene aber dramatische Komplikation. Eine Analyse von zehn Patienten mit Leberversagen nach Adipositaschirurgie ergab, dass solche nur nach Bypass-Verfahren (RYGB und OAGB) aufgetreten sind, während bisher keine Fälle nach SG oder Magenband in der Literatur beschrieben wurden [Eilenberg, M. et al. 2018], [Mahawar, K. K. et al. 2018]. Somit sollten bei Patienten mit schwerer NAFLD mit konsekutiver Leberfunktionseinschränkung und infolgedessen der Gefahr eines postoperativen Leberversagens malabsorptive Bypassverfahren (z.B. distaler RYGB oder OAGB mit >200cm biliopankreatischer Schenkellänge) vermieden werden. Außerdem zeigte eine aktuelle Meta-Analyse eine Reduktion des perioperativen Komplikationrisikos nach SG auf ein Drittel gegenüber dem RYGB bei Patienten mit Leberzirrhose [Agarwal, L. et al. 2020]. Weiterhin hat die SG den Vorteil, dass die Anatomie des oberen Gastrointestinaltraktes am wenigsten verändert wird und ein endoskopischer Zugang zu den Gallenwegen bestehen bleibt. Dies ist insbesondere bei potentiellen LTX-Kandidaten relevant. Somit sollte bei Leberzirrhose die SG als Operationsverfahren der 1. Wahl angewandt werden.