Erläuterungen

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Hintergrund
Intravenös Drogenkonsumierende haben ein hohes Risiko, eine HCV-Infektion zu erwerben. Die Anti-HCV-Prävalenz bei Drogen-abhängigen in Europa lag ineinem systematischen Review zwi- schen 53 und 97 % (Median 72 %) (II) [Wiessing, L et al. 2014]. Umgekehrt war die mediane HCV-Inzidenz bei 13 pro 100 Patientenjahre [Wiessing, L et al. 2014]. Ein systematisches Review, das die globale Epidemiologie von HBV und HCV bei Drogenkonsumierenden untersuchte, beschreibt Anti-HCV-Prävalenzen zwischen 60 und 80 % (II) [Nelson, PK et al. 2011]. Unter den nach Infektionsschutzgesetz in Deutschland gemeldeten HCV-Erstdiagnosen des Jahres 2015wurde für 76 % der Fälle mit belastbaren  Angaben  zum wahrscheinlichen Übertragungsweg i. v.-Drogenkonsum angegeben [RKI et al. 2016]. Eine multizentrische Quer- schnittsstudie unter Personen mit aktuellem injizierendem Drogenkonsum in acht deutschen Städten hat eine HCV-Antikörper-Prävalenz unter allen 2077 Personen von 63 % (je nach Stadt 37 – 73 %) und eine Prävalenz virämischer Infektionen von 44 %(Spanne der Städte: 23 – 54 %) gezeigt [Wenz, B et al. 2016]. Ein erhöhtes Risiko für HCV- Infektionen besteht aber auch bei Personen mit anderen Konsumformen, wie Rauchen, Inhalieren und Sniefen [Macías, J et al. 2008], [Tortu, S et al. 2004]. Zwar scheint bei anderen Applikationsformen als intravenösen Injektionen ein geringeres Infektionsrisiko im Vergleich zumintravenösen Konsum zu bestehen, dennoch besteht durch gemeinschaftliche Benutzung von Crackpfeifen, „Sniefröhrchen“ oder anderen Utensilien einerhöhtes Infektionsrisiko [Macías, J et al. 2008], [Tortu, S et al. 2004], [Fischer, B et al. 2008]. Entsprechend spielen andere Faktoren über die Injektion von Substanzen hinaus eine gesicherte Rolle für die HCV-Übertragung, wie in einer Metaanalyse gezeigt wurde (II) [Palmateer, NE et al. 2013]. In dieser Analyse von 16 Studien war die HCV-Prävalenz 59 % und die HCV-Inzidenz 11 % bei Personen, die „needle-sharing“ verneinten. Drogenkonsumierende Frauen scheinen ein höheres Risiko für HCV zu haben als Männer (III) [Esmaeili, A et al. 2017]

Personen mit riskantem Drogenkonsum sollten möglichst frühzeitig über potenzielle Übertragungswege des HCV informiert werden, um sich und andere Personen vor einer Infektion mit HCV zu schützen (IIc) [Page-Shafer, K et al. 2007]. Eine Maßnahme ist,Drogenkonsumierenden niedrigschwellig den Zugang zu sterilen Konsumutensilien, zur Drogenberatung und zur Drogenbehandlung wie Opioid-Subtitutionstherapie zu ermöglichen. Dies ist von Bedeutung, als dass gezeigt wurde, dass HCV auf Konsumbestecken, in Wasserflaschen und in Filtern über Wochen infektiös bleiben kann [Doerrbecker, J et al. 2013]. Zahlreiche systematische Reviews zur Effektivität von Programmen, die Drogengebrauchenden sterile Konsumutensilien zur Verfügung stellen, sind publiziert worden, wobei die Effektivität bezüglich der Verhinderung einer HIV-Infektion höher zu sein scheint als bei der Verhinderung einer HCV-Infektion (II) [Fernandes, RM et al. 2017]. Weitere Maßnahmen beinhalten Schulungen in „Safer use“-Praktiken, die Vermittlung von„Safer sex“-Praktiken sowie Aufklärung über die Übertragungsrisiken beim Tätowieren oder Piercen [Tohme, RA et al. 2012]. Tätowierung war in einer Metaanalysemit einem erhöhten Risiko für HCV-Infektionen assoziiert (II) [166], wobei keine ausreichenden Daten für deutsche Tattoo-Studios vorliegen. Von Bedeutung ist, dass in prospektiven randomisierten Studien mit Aufklärungsmaßnahmen die Häufigkeit von unsicheren Injektionspraktikenreduziert werden konnte [Garfein, RS et al. 2007], [Latka, MH et al. 2008]

Bei positivem HCV-Antikörper (AK)-Testergebnis sollte eine spezielle Beratung stattfinden, wie HCV-Infektionen Dritter zu vermeiden sind. Einem positiven HCV-AK-Testergebnis sollte eine PCR folgen, und die Person hinsichtlich ihres Infektionsstatus aufgeklärt werden. Die Indikation für eine antivirale Therapie der Hepatitis C ist zu überprüfen. Schließlich sollten die Patienten bezüglich der Vermeidung von Ko-Risikofaktoren für eine Lebererkrankung explizit beraten und geschult werden, insbesondere in Bezug auf die Vermeidung von Alkoholkonsum. 

Alle Maßnahmen (Prävention, Testung, Beratung, Substituti- onstherapie, HCV-Therapie und Prävention einer Re-Infektion) sollten auch Drogenkonsumierenden, die inhaftiert sind, zugänglich sein. 

Das Risiko für Krankheitsprogressionen mit der Entwicklung einer Leberzirrhose, einer hepatischen Dekompensation und eines hepatozellulären Karzinoms bei intravenös Drogenkonsumierenden wurde in einer Metaanalyse mit 6,6 (Zirrhose), 1,1 (Dekompensation) bzw. 0,3 (HCC) pro 1000 Personenjahre angegeben (II) [Smith, DJ et al. 2015]

Eine spontane Ausheilung der akuten Hepatitis C findet sich bei Drogenkonsumierenden im Mittel bei etwa 25 %, wobei diese niedriger bei HIV-positiven Personen ist (II) [Smith, DJ et al. 2016]. Nach spontaner oder Therapie-induzierter Heilung einer Hepatitis-C-Infektion oder nach erfolgreicher Hepatitis-C-Therapie ist eine weitere (ggf. suchtmedizinische) Betreuung sinnvoll, um erneute Risiken für eine Infektion mit Hepatitis C zuvermeiden. Hepatitis-C-Re-Infektionen nach Ausheilung sind grundsätzlich aufgrund fehlender komplett sterilisierender Immunität gegen HCVmöglich. In Studien bewegte sich die Re-Infektionsrate unter injizierenden Drogen-gebrauchenden zwischen 2 und 6/100 Personenjahre, deutlich geringer als unter HIV-positiven MSM [Midgard, H et al. 2016], [Weir, A et al. 2016]

Mit einem regelmäßigen Screening auf Anti-HCV bzw. auf HCV-RNA bei bekannter Seronarbe können bei Drogenkonsumierenden HCV-Infektionen frühzeitig erkannt werden, wobei das Intervall für eine Testung in Abhängigkeit vom Risikoprofil des Betroffenen individuell gesetzt werden sollte. So ist eine Testung sicher auch nacheinem außergewöhnlichen Risiko-Ereignis (z. B. Drogenrückfall bei ansonsten Abstinenten) indiziert. Hier ist dann ggf. eine HCV-RNA-Testung unabhängig vom Anti-HCV-Befund zu erwägen. Mit einem halbjährlichen Screeningprogramm können HCV-Infektionen im Stadium der akuten Hepatitis C erkannt werden. Umgekehrt kann bei stabiler Drogen-Abs- tinenz und fehlendem Risikoverhalten das Screening-Intervall verlängert werden.

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