Erläuterung
Hintergrund
HCV-RNA kann in Sperma und Vaginalsekret nachgewiesen werden [Bourlet, T et al. 2002], [Farías, A et al. 2010]. Entsprechend ist Geschlechtsverkehr mit HCV-Positiven in zahlreichen Studien als Risikofaktor für eine HCV-Infektion identifiziert worden (IIa) [Orlando, R et al. 2007], [Wiegand, J et al. 2006]. Umgekehrt ist das Ansteckungsrisiko in stabilen Partnerschaften jedoch extrem gering. Zahlreiche Studien, Fallserien und systematische Reviews geben eine HCV-Übertragungsrate in festen Partnerschaften mit < 1 % pro Jahr an (II) [Ackerman, Z et al. 2000], [Orlando, R et al. 2007], [Boonyarad, V et al. 2003], [Kao, JH et al. 2000]. Eine Verlaufsbeobachtungsstudie aus Italien mit 895 monogamen Partnern konnte keine HCV-Infektion nach 10 Jahren finden (III) [Vandelli, C et al. 2004]. Die US-amerikanische „HCV Partners Study“ konnte eine HCV-Prävalenz in 4 % der heterosexuellen Partner von monogamen, HIV-negativen Hepatitis-C-Patienten finden. Jedoch lag nur in 0,6 % der Fälle eine sehr ähnliche Virussequenz vor. Es wurde ein maximales Risiko für eine HCV-Transmission von 0,07 % pro Jahr oder von 1:190 000 Sexualverkehren errechnet [Terrault, NA et al. 2013]. Das sexuelle Übertragungsrisiko steigt jedoch mit der Anzahl der Geschlechtspartner und bei verletzungsintensiven Sexual-Praktiken sowie wenn der Geschlechtspartner intravenösen Drogenkonsum betreibt (II) [Ackerman, Z et al. 2000], [La Torre, G et al. 2006].
Das höchste sexuelle Übertragungsrisiko besteht für Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, insbesondere, wenn sie HIVinfiziert sind. Das Risiko für eine akute Hepatitis C ist jedoch wahrscheinlich auch bei HIV-negativen Männern, die Sex mit Männern haben, erhöht, wie verschiedene Fallserien und Studien nahelegen [McFaul, K et al. 2015]. Eine Metaanalyse mit gepoolten HCV-Inzidenzdaten von HIV-ko-infizierten und HIV-negativen MSM hat gezeigt, dass die HCV-Inzidenz bei HIV-Positiven 19-mal höher war als bei Negativen [Ghisla, V et al. 2017]. Die Gesamtinzidenz lag bei 6,3/100 Personenjahren (95 % KI 5,0 – 7,5) [Ghisla, V et al. 2017].
In den letzten Jahren sind mehrere Ausbrüche von akuten HCV-Hepatitiden in Europa, den USA und Australien bei HIV-positiven MSM beschrieben worden (III) [Bradshaw, D et al. 2013], [Boesecke, C et al. 2012], [Yaphe, S et al. 2012]. Das Risiko für eine HCV-Serokonversion im europäischen EUROSIDA-Register war 4 %/Jahr bei HIV-positiven Personen, wobei hier das relative Risiko in Westeuropa niedriger als in Nord-, Süd- und Osteuropa war (IV) [Boesecke, C et al. 2015]. Ein deutlicher Anstieg von Anti-HCV-Serokonversionen wird in 2010er Jahren gegenüber den 1990er Jahren beobachtet (III) [Hagan, H et al. 2015]. Risikofaktoren für eine HCV-Infektion bei MSM, sind insbesondere Fisting, Gruppensex, Benutzung von Sexspielzeug, Drogenkonsum (per Sniefen oder Injektion) und das Vorliegen von anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen [Ghisla, V et al. 2017], [Boesecke, C et al. 2012], [Vanhommerig, JW et al. 2015], [Kaplan-Lewis, E et al. 2015]. Bei sexuellen Kontakten, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, kann durch Blut-kontaminierte Sexspielzeuge (z. B. Dildos), aber auch Verwendung desselben Kondoms bei unterschiedlichen Partnern und gemeinsamer Verwendung von Gleitmitteln ein Übertragungsrisiko bestehen. Insbesondere HIVinfizierte und sexuell sehr aktive MSM sollten über solche möglichen Übertragungswege informiert werden. Studien zeigen bei HIV-positiven MSM nach Ausheilung der HCV-Infektion hohe Re-Infektionsraten zwischen 7 und 15/100 Personenjahren [Martin, TC et al. 2013], [Lambers, FA et al. 2011].