Erläuterungen
Hintergrund
Unter Menschen mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion finden sich signifikant gehäuft Menschen mit einer Suchterkrankung (Substanzmißbrauch bzw. Substanzabhängigkeit) [el-Serag, HB et al. 2002], [Schaefer, M et al. 2012]. Intravenöser Drogenkonsum stellt in den meisten westlichen Ländern den wichtigsten Risikofaktor für HCV-Infektionen dar. 50 – 80 % der intravenös Drogenkonsumierenden weisen eine chronische Hepatitis-C-Infektion auf [Nelson, PK et al. 2011], [Ghany, MG et al. 2009], [Shepard, CW et al. 2005]. Innerhalb der Gruppe der HCV-infizierten Patienten mit einer Drogenabhängigkeit oder Substanzmißbrauchserkrankung ist mit einer erhöhten Rate an psychischen Erkrankungen und komplexen sozialen Problemen zu rechnen (I) [Schaefer, M et al. 2012], [Schaefer, M et al. 2013]. Zudem stellt die chronische Hepatitis eine der wichtigsten somatischen Probleme während einer Langzeitsubstitutionstherapie Drogenabhängiger dar [Wittchen HU, Rehm JT, Gölz J et al. 2011].
Die Hepatitis-C-Behandlung bei bestehender Suchterkrankung ist prinzipiell möglich, bedarf aber eines Netzwerkes mit interdisziplinärer Zusammenarbeit zur Diagnostik, Vorbereitung und Therapiedurchführung. In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren regelmäßig Empfehlungen zur Verbesserung der Diagnose, des Managements und der Therapie von HCV bei Menschen mit Substanzmißbrauchserkrankungen, insbesondere intravenösem Drogenkonsum, durch ein internationales Netzwerk von Sucht- und Hepatitis-C-Spezialisten erarbeitet (INHSU: International Network for Hepatitis Care in Substance Users) (I) [Robaeys, G et al. 2013], [Grebely, J et al. 2015].
Eine Vorbehandlungs- bzw. Vorbeobachtungsphase vor Beginn der antiviralen Therapie zur Optimierung psychiatrischer Medikationen, Information und Schulung des Patienten sowie Förderung der Compliance sollte erfolgen. Potenzielle Interaktionen zwischen den Substanzen der Substitutionstherapie, bestehender psychiatrischer Begleitmedikation und den direkt antiviralen Medikamenten sollen berücksichtigt werden.
Mangelnde Kenntnisse und ungenaue Vorstellungen entweder über die HCV-Infektion selbst vonseiten der Suchtbehandler oder über die psychosozialen Probleme bei HCV-infizierten Suchterkrankten bei den HCV-Experten stellen demnach wichtige Hindernisse bei der Evaluierung der HCV-Behandlung dar (Übersicht bei [Grebely, J et al. 2015]) (I). Unterschiedliche Gründe führten dazu, dass eine indizierte antivirale Therapie bei dieser speziellen Patientengruppe in der Vergangenheit nicht oder seltener durchgeführt wurde: eine aktuelle Opiat-Substitutionstherapie, fortlaufender oder früherer Drogenkonsum, fortlaufender Alkoholkonsum, fortgeschrittene Lebererkrankung, komorbide medizinische und/oder psychiatrische Erkrankungen, mangelnde soziale Unterstützung sowie eine fehlende Behandlungsbereitschaft (Übersicht bei [Grebely, J et al. 2015]) (I).
Die Datenlage zur Interferon-freien Therapie bei Patienten mit Suchterkrankungen ist aktuell noch eingeschränkt. Vorhandene Studien weisen jedoch auf eine vergleichbare Rate des anhaltenden virologischen Ansprechens hin [Lalezari, J et al. 2015], [Martin, NK et al. 2015], [Mangia A, Kugelmas M, Everson GT et al. 2013], [Puoti M, Cooper C, Sulkowski MS et al. 2014]. Therapietreue und Drogenkonsum während der Therapie können den Therapie-Erfolg jedoch signifikant beeinflussen. Vor Beginn der antiviralen Therapie sollte daher eine Vorbehandlungs- bzw. Vorbeobachtungsphase zur Information und Schulung des Patienten sowie Förderung der Compliance erfolgen. Auch eine Optimierung einer möglicherweise bestehenden psychiatrischen Medikation sollte erfolgen. Potenzielle Interaktionen zwischen den Substanzen der Substitutionstherapie, bestehender psychiatrischer Begleitmedikation und den direkt antiviralen Medikamenten sollten hierbei besonders berücksichtigt werden (I) [Grebely, J et al. 2015]. Die DAA-Therapie erfordert keine spezifische Dosisanpassung von Methadon und Buprenorphin, jedoch sollte eine Überwachung auf Anzeichen einer Opioid-Toxizität oder eines Opioid-Entzugs durchgeführt werden und auf mögliche Einflüsse/Interaktionen mit Psychopharmaka geachtet werden. Patienten sollten auch auf mögliche schwerwiegende Komplikationen durch Interaktionen bei einem Beigebrauch von anderen Substanzen, darunter v. a. Amphetamine bzw. Ecstasy hingewiesen werden (I) [Grebely, J et al. 2015]. Patienten mit unkontrolliertem Alkohol- oder Drogenkonsum vor der Therapie sollten zunächst suchtmedizinisch stabilisiert und bezüglich ihrer Therapiefähigkeit überprüft werden. Auf eine langfristige enge interdisziplinäre Anbindung ist zu achten (I) [Schaefer, M et al. 2013].