Erläuterungen
Hintergrund
Patienten mit einem Versagen auf eine interferonbasierte Triple-Therapie mit einem Protease-, NS5A- oder NS5B-Inhibitor können mit einer interferonfreien DAA-Therapie mit Wechsel der Substanzklasse wie oben dargestellt behandelt werden (I) [Afdhal, N et al. 2014], [Feld, JJ et al. 2015], [Wyles, DL et al. 2015], [Hézode, C et al. 2016].
Bei einem Therapieversagen auf ein interferonfreies DAA-Regime können resistenzassoziierte Varianten (RAVs) gegenüber den eingesetzten DAAs bei 80–90 % der Patienten nachgewiesen werden [Afdhal, N et al. 2014], [Zeuzem, S et al. 2015], [Feld, JJ et al. 2015], [Kwo, P et al. 2016], [Sarrazin, C et al. 2016], [Susser, S. et al. 2016]. Eine Bestimmung von RAVs kann in speziellen Laboren aus virologischen bzw. epidemiologischen Gründen sowie für ein evtl. zukünftiges Therapieversagen erfolgen.
Die Dauer der Nachweisbarkeit von viralen Resistenzen mit einer populationsbasierten Sequenzierung bei Patienten mit Therapieversagen reicht in den meisten Fällen bei Resistenzen gegenüber Protease-Inhibitoren über wenige Monate bis zu ca. einem Jahr [Lenz, O et al. 2015], [Krishnan, P et al. 2015], [Susser, S. et al. 2016]. Nach Einsatz eines nichtnukleosidischen NS5BInhibitors (Dasabuvir) sind RAVs in ca. 50 % der Fälle nach einem Jahr weiterhin nachweisbar [Krishnan P, Tripathi R, Schnell G et al. 2014]. RAVs gegenüber dem nukleotidischen Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir wurden bisher nur in wenigen Einzelfällen nachgewiesen und scheinen eine sehr kurze Halbwertszeit von wenigen Wochen aufzuweisen mit Ausnahme des HCV-Genotyps 4 [Svarovskaia, ES et al. 2016], [Svarovskaia, ES et al. 2014], [Hedskog, C et al. 2015], [J, Vermehren et al. 2018]. Bei einem Therapieversagen auf einen NS5A-Inhibitor persistieren die selektionierten RAVs dagegen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle über Jahre [Susser, S. et al. 2016], [Krishnan, P. et al. 2015].
Eine Wiederholung des eingesetzten DAA-Therapieregimes ohne Beachtung von viralen Resistenzen ist nicht zu empfehlen [Dietz, J et al. 2021], [Kozbial, Karin et al. 2019]. In einer Studie mit einer wiederholten Therapie mit Ledipasvir und Sofosbuvir wurde trotz Verlängerung der Therapiedauer auf 24 Wochen ein SVR bei Patienten mit NS5A-RAVs lediglich in 60 % und bei dem Vorliegen der Hauptresistenzvariante Y93H/N in nur 33 % beobachtet (II) [Lawitz, E. et al. 2015].
Versagen auf Kombinationstherapien mit DAAs der 1. Generation sowie auf Velpatasvir/Sofosbuvir
Bei Patienten mit einem Therapieversagen gegenüber der Gabe von DAA-Kombinationstherapien aus Sofosbuvir plus einem NS3-Proteaseinhibitor (z. B. Simeprevir) oder einem NS5A-Inhibitor (z. B. Daclatasvir, Ledipasvir, Velpatasvir) sowie nukleosidfreien Therapien der 1. Generation (z. B. Grazoprevir plus Elbasvir oder Paritaprevir plus Ombitasvir mit oder ohne Dasabuvir/2D/3D) jeweils mit oder ohne die zusätzliche Gabe von Ribavirin wurde im Rahmen zweier Phase-3-Zulassungsstudien die Multitarget-Re-Therapie mit Voxilaprevir plus Velpatasvir und Sofosbuvir untersucht (Ib) [Bourlière, M et al. 2017]. Dazu wurden Patienten mit allen HCVGenotypen und unabhängig von weiteren Vortherapien und dem Vorliegen einer Zirrhose eingeschlossen und mit Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir über 12 Wochen behandelt. Die SVR-Raten lagen zwischen 96 % und 98 % (Ib) [Bourlière, M et al. 2017]. Unterschiedliche SVR-Raten von Patienten mit unterschiedlichen RAVs vor Therapiebeginn fanden sich nicht (Ib) [Sarrazin, C et al. 2018]. Bei Patienten ohne Vortherapie mit einem NS5A-Inhibitor wurde zusätzlich die Gabe von Velpatasvir plus Sofosbuvir über 12 Wochen untersucht. Bei ihnen lag die SVR-Rate mit 90 % jedoch deutlich niedriger (Ib) [Bourlière, M et al. 2017].
Insgesamt kam es bei 7 Patienten zu einem virologischen Therapieversagen auf die Re-Therapie mit Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir. Alle 7 wiesen eine Zirrhose auf und 4 Patienten waren mit dem HCV-Genotyp 3 infiziert. Die Gesamt-SVR-Rate bei Patienten mit dem HCV-Genotyp 3 lag damit bei 94 % (Ib) [Sarrazin, C et al. 2018]. Insgesamt wurden die hohen SVR-Raten einer Re-Therapie mit Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir in Anwendungsbeobachtungen bestätigt. Dabei fand sich ebenfalls ein schlechteres virologisches Ansprechen bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-3-Infektion mit SVR-Raten von 79–80 %. Zudem war die SVR-Rate in der kleinen Subgruppe von Patienten mit HCV-Genotyp 3 und Zirrhose mit 69 % besonders stark erniedrigt [Llaneras, J et al. 2019], [Degasperi, E et al. 2019]. Eine Optimierung der Re-Therapie nach DAA-Versagen ist in dieser Patientengruppe daher wünschenwert. In Äquivalenz zu Studiendaten von mit HCVGenotyp 3 infizierten Patienten bei der dekompensierten Zirrhose könnte eine zusätzliche Gabe von Ribavirin die Rate an Patienten mit virologischem Therapieversagen reduzieren (Ib) [Curry, MP et al. 2015].
Die Triple-Therapie mit Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir war insgesamt gut verträgtlich. Allerdings fanden sich im Vergleich zu Velpatasvir und Sofosbuvir vermehrte gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhö und Übelkeit (Ib) [Bourlière, M et al. 2017]. Patienten mit einem Versagen auf die Gabe von Glecaprevir plus Pibrentasvir sowie solche mit einem Versagen auf die Triple-Therapie aus Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir wurden nicht in die Studie eingeschlossen, sodass für diese Patienten formal keine Zulassung besteht und die Therapieeffektivität unklar ist.
Daher wird die Gabe von Voxilaprevir plus Velpatasvir und Sofosbuvir über 12 Wochen bei Patienten mit einem Therapieversagen auf eine Kombinationstherapie aus Sofosbuvir und einem NS5A-Inhibitor sowie auf nukleosidfreie Regime mit DAAs der 1. Generation empfohlen (Ib). Bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-3-Infektion kann zusätzlich Ribavirin gegeben werden (V).
Versagen auf Glecaprevir/Pibrentasvir oder Voxilaprevir/Velpatasvir/ Sofosbuvir
Für Patienten mit einem Therapieversagen auf Glecaprevir plus Pibrentasvir und Re-Therapie mit Voxilaprevir plus Velpatasvir plus Sofosbuvir wurde kürzlich eine kleine Kohortenstudie mit einer SVR-Rate von 94 % publiziert. Bei 90 % der 31 beobachteten Patienten lagen dabei NS5A-Resistenzen vor Beginn der Re-Therapie vor, die unter der Gabe von Glecaprevir/Pibrentasvir selektoniert worden waren [Pearlman, B et al. 2019]. In einer weiteren kürzlich vorgestellten Studie wurden Patienten mit einem Therapieversagen auf Glecaprevir plus Pibrentasvir mit dem gleichen Regime erneut unter Hinzunahme von Sofosbuvir und Ribavirin für 12 oder 16 Wochen behandelt [Wyles, D et al. 2019]. Insgesamt konnte bei 22/23 Patienten (96 %) ein SVR erreicht werden. Bei einem Patienten mit einer HCV-Genotyp-1a-Infektion und einer Therapie über 16 Wochen kam es zu einem virologischen Rückfall [Wyles, D et al. 2019].
Daten zur Re-Therapie von Patienten mit Versagen auf Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir liegen bisher nicht vor. Damit kann für Patienten mit einem Therapieversagen auf Glecaprevir und Pibrentasvir sowie auf eine Multitarget-Triple-Therapie eine erneute Behandlung auf der Grundlage von virologischen Prinzipien und Daten einer Resistenzanalyse über 12 bis 24 Wochen durchgeführt werden. Bei einem Therapieversagen auf Glecaprevir und Pibrentasvir wird die Gabe von Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir mit oder ohne Ribavirin empfohlen. Eine weitere mögliche Therapieoption insbesondere bei Therapieversagen auf Voxilaprevir, Velpatasvir und Sofosbuvir besteht in der Gabe von Glecaprevir und Pibrentasvir mit hoher Resistenzbarriere und Effektivität auch gegenüber selektionierten RAVs und der zusätzlichen Gabe von Sofosbuvir sowie ggf. Ribavirin über 16 Wochen.