Erläuterungen
Hintergrund
Eine replikative akute oder chronische HCV-Infektionmit nachweisbarer HCV-RNA stellt unabhängig von der Höhe der Leberwerte und dem Stadium der Leberfibrose ein Risiko für die Entwicklung einer Lebererkrankung, eines Leberzellkarzinoms (HCC), einer extrahepatischen Manifestation sowie für die weitere Übertragung des Virus dar und ist damit eine Indikation für eine antivirale Therapie [Thrift, AP et al. 2017], [Manns, MP et al. 2017].
Die Unterscheidung einer akuten von einer chronischen Hepatitis C mit einer alleinigen Definition des Nachweises der HCV-Ak bzw. der HCV-RNA über mindestens 6 Monate ist klinisch häufig nicht praktikabel und kann zu einer unnötigen Wartezeit bis zum Beginn einer antiviralen Therapie führen [Dakic, Z et al. 2019]. Bei Erstdiagnose einer HCV-Infektion mit einer typischen Konstellation für eine chronische Infektion ist ein formales Abwarten einer positiven HCV-RNA über 6 Monate medizinisch nicht notwendig. Es handelt sich dabei immer um eine chronische Hepatitis C, wenn bei positiven HCV-Ak und nachweisbarer HCV-RNA bzw. HCV-core-Antigen klinisch und laborchemisch keine akute (ikterische) Hepatitis und anamnestisch und laborchemisch kein Risiko für eine Übertragung des Virus bzw. keine Evidenz für eine Serokonversion in den letzten 6 Monaten vorliegt. In diesen Fällen kann eine antivirale Therapie umgehend begonnen werden.
Bei einer akuten bzw. kürzlich erworbenen HCV-Infektion (HCV-RNA positiv/HCV-Ak negativ oder HCV-Ak-Serokonversion mit HCV RNA Nachweisbarkeit in den letzten 6 Monaten) liegt ebenfalls eine replikative HCV-Infektion vor. Daher liegt auch in diesem Fall grundsätzlich eine Therapieindikation vor. In einzelnen Fällen mit einer hohenWahrscheinlichkeit für eine spontane Elimination der kürzlich erworbenen HCV-Infektion und fehlendem hohem Risiko für eine weitere Übertragung des Virus (z. B. keine chirurgische Tätigkeit; kein unkontrollierter i. v. Drogenabusus) kann zunächst der Spontanverlauf abgewartet werden. Kommt es jedoch bei einer kürzlich erworbenen HCV-Infektion im Verlauf über einen Zeitraum von 4 Wochen nach Diagnosestellung nicht zu einem Abfall der HCV-RNA-Konzentration über mindestens 2 log10-Stufen oder ist nach 12 Wochen noch HCV-RNA nachweisbar, kann von einer Chronifizierung ausgegangen werden [Hajarizadeh, B et al. 2014], [Thomson, EC et al. 2011]. Entsprechende Patienten sowie alle sonstigen Patienten mit einer akuten Hepatitis C sollten eine antivirale Therapie erhalten, da dies eine weitere Übertragung des Virus und mögliche akute oder chronische klinische Manifestationen der HCV-Infektion verhindert. Die Therapie erfolgt in Analogie zu den Empfehlungen bei einer chronischen HCV-Infektion.
Die WHO hat das Ziel der Elimination der HCV-Infektion bis zum Jahr 2030 definiert, und in Deutschland hat sich die Bundesregierung mit dem Positionspapier BIS2030 diesem Projekt angeschlossen [World Health Organization et al. 2016].
Dafür ist es notwendig, bisher unbekannte Hepatitis-C-Infektionen möglichst umfassend zu diagnostizieren sowie alle diagnostizierten Personenmit replikativer Infektion antiviral zu behandeln, um ein Fortschreiten der Erkrankung und Folgeschäden sowie eine weitere Übertragung der Infektion zu verhindern [Heffernan, A et al. 2019]. Der Verzicht auf eine antivirale Therapie bei Patienten in fortgeschrittenem Alter und bei fehlendem Therapiewunsch oder auch bei Patienten mit malignen Erkrankungen und begrenzter Überlebenszeit ist aufgrund der geringen Übertragungswahrscheinlichkeit vertretbar.
Für die Behandlung von Kindern mit möglichen Dosisanpassungen der DAAs und Kombinationstherapien liegen bisher eingeschränkte Studienerfahrungen vor [Balistreri, WF et al. 2017], [Indolfi, G et al. 2018]. Im Jahr 2019 wurde mit Glecaprevir/Pibrentasvir eine pangenotypische Therapie für Jugendliche auf der Grundlage einer entsprechenden Studie zugelassen [Jonas, MM et al. 2020]. Die Effektivität, die Dosierung und die Behandlungsdauer entsprechen denen der Zulassung bei Erwachsenen, sodass für Kinder ab dem 12. Lebensjahr für alle HCV-Genotypen eine hochwirksame antivirale Therapie zur Verfügung steht. Für die Gabe von Glecaprevir/Pibrentasvir bei Kindern von 3 bis 11 Jahren wurden kürzlich Studienergebnisse zu Verträglichkeit und antiviraler Effektivität vorgestellt [Jonas, MM et al. 2021]. In diesen Fällen ist eine Dosisanpassung der antiviralen Substanzen nach Alter bzw. Gewicht notwendig. Eine Erweiterung der Zulassung wird erwartet.
Für die pangenotypische Therapie aus Velpatasvir und Sofosbuvir wurde ebenfalls eine offene klinische Studie bei Kindern und Jugendlichen ab dem 6. Lebensjahr und ab einem Körpergewicht von mindestens 17 kg durchgeführt. Bei insgesamt 175 eingeschlossenen Patienten wurden SVR-Raten zwischen 91 und 100 % für Infektionen im Wesentlichenmit den HCV-Genotypen 1, aber auch 2, 3, 4 und 5 erreicht [Jonas, MM et al. null]. Die Dosierung von Velpatasvir und Sofosbuvir richtet sich nach dem Körpergewicht. Dabei ist Velpatasvir/Sofosbuvir ab dem 6. Lebensjahr bei einem Körpergewicht von mindestens 17 kg zugelassen. Bis zu einem Körpergewicht von < 30 kg ist eine reduzierte Dosierung von 50 mg/ 200 mg vorgesehen, während ab einem Gewicht von 30 kg die normale Dosierung von 100 mg/400mg Velpatasvir/Sofosbuvir einmal täglich eingenommen wird.
Seit dem Jahr 2017 ist weiterhin die Kombinationstherapie aus Ledipasvir und Sofosbuvir bei Kindern mit einem Gewicht von mehr als 35 kg ab dem 12. Lebensjahr bei einer Infektion mit den HCV-Genotypen 1, 4, 5 und 6 zugelassen. Studien für 6–11 wie auch für 3–5 Jahre alte Kinder wurden mit einer geringeren Dosierung durchgeführt und publiziert. Die Zulassung einer entsprechenden Formulierung mit 45mg Ledipasvir und 200mg Sofosbuvir ist durch die FDA bereits erfolgt und wird in Europa erwartet [Murray, KF et al. 2018], [Schwarz, KB et al. 2020]. Die empfohlene Therapiedauer für Kinder ab 12 Jahre beträgt 12 Wochen und kann bei Vortherapien bzw. bei einer Leberzirrhose auf 24 Wochen verlängert werden. Ebenfalls ist die Kombinationstherapie aus Sofosbuvir und Ribavirin für Kinder ab dem 12. Lebensjahr zugelassen [Indolfi, G et al. 2018].