Erläuterungen
Hintergrund
HCV-infizierte Transplantatempfänger, die eine immunsuppressive Therapie mit Calcineurin- oder/und mTOR-Inhibitoren erhalten, gehören insbesondere aufgrund der Metabolisierung der o. g. Immunsuppressiva über Cytochrom p450 Isoenzyms 3A4 (CYP3A4) zur Risikogruppe für pharmakologische Wechselwirkungen mit den DAAs. Zusätzlich zum Cytochrom-System sind auch mögliche Interaktionen durch gemeinsame Nutzung zellulärer Transporterproteine, wie P-Glykoprotein (P-Gp, auch: Multidrug-Resistance-Protein 1, MDR1), BCRP (Breast Cancer Resistance Protein) und OAT (Organic Anion Transporter) zu berücksichtigen, die sowohl von den Calcineurin- und mTOR-Inhibitoren wie auch von verschiedenen DAA unterschiedlich intensiv genutzt und moduliert werden (I) [Trakroo, S et al. 2015], [Burgess, S et al. 2015], [J Hepatol et al. 2015].
Das größte Interaktionspotenzial unter den HCV-DAA besteht bei den NS3/4A-Proteaseinhibitoren, gefolgt von einem geringer ausgeprägten Interaktionspotenzial bei den NS5A-Inhibitoren sowie dem geringsten Interaktionspotenzial bei den HCV-RNAPolymerase-Inhibitoren. Aufgrund der Komplexität der potenziellen Interaktionen, der individuellen Unterschiede im Metabolismus sowie der meist komplexen weiteren Komedikationen sind genaue Vorhersagen über Spiegelveränderungen der Calcineurinund mTOR-Inhibitoren meist nicht möglich, sodass ein regelmäßiges Monitoring der Talspiegel und ggf. eine Anpassung der Dosierung grundsätzlich zu empfehlen ist.
Am unkritischsten ist der Einsatz von Sofosbuvir und Ledipasvir bei Transplantationspatienten. Beide Substanzen werden nicht über CYP3A4 metabolisiert. Sie nutzen zwar beide die Transporter P-Gp und BCRP, aber klinisch relevante Interaktionen mit den Calcineurin- und mTOR-Inhibitoren wurden nicht beobachtet (II) [Charlton, M et al. 2015].
DCV ist ein CYP34A und P-Gp-Substrat und hemmt P-Gp, OATP1B1 und BCRP. Trotzdem werden bei einer Komedikation mit Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus und Everolimus keine Dosisanpassungen notwendig (I) [Kwo, PY et al. 2015].
SMV ist ebenfalls Substrat von CYP34A und P-Gp sowie Inhibitor vieler hepatischer Transporterproteine, u. a. OATP1B1, P-Gp und MRP2. Bei Komedikation mit Tacrolimus und Sirolimus werden keine Dosisanpassungen empfohlen, wohl aber eine Spiegel-Überwachung der Immunsuppressiva. Eine Komedikation mit Ciclosporin soll dagegen nicht erfolgen, da Ciclosporin durch die Hemmung von OATP1B1/3, P-Gp und CYP3A zu einer deutlich höheren SMV-Exposition mit einem im Mittel 5,81-fachen Anstieg der AUC führt (Fachinformation) [J Hepatol et al. 2015].
Bei der Kombination von Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir plus/minus Dasabuvir ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Ritonavir als starker CYP3A4-Inhibitor bewusst als pharmakokinetischer Booster eingesetzt wird, um den Medikamentenspiegel von Paritaprevir (PTV) – einem CYP3A4-Substrat – zu erhöhen. Dieser Effekt macht sich jedoch auch bei allen anderen über CYP3A4 metabolisierten Medikamenten, insbesondere auch den Calcineurin-Inhibitoren, bemerkbar. Darüber hinaus interagieren Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir plus/minus Dasabuvir mit zahlreichen weiteren Transportproteinen, u. a. P-Gp, BCRP, OATPI/3. Insbesondere aufgrund der CYP3A4-Hemmung durch Ritonavir erhöht sich die Halbwertzeit von Ciclosporin bei Komedikation mit Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir um ca. das Dreifache. Entsprechend der Erfahrungen einer Pilotstudie sollte daher initial nur ein Fünftel der täglichen Ciclosporin-Dosis als Einmaldosis verabreicht werden (III/B) [J Hepatol et al. 2015], [Berenguer, J et al. 2009]. Der Ciclosporin-Talspiegel soll regelmäßig überwacht und ggf. die Dosierung angepasst werden (siehe Fachinformation). Noch stärker sind die Interaktionen mit Tacrolimus, für welches die Halbwertzeit ca. um das Siebenfache steigt [J Hepatol et al. 2015], [Berenguer, J et al. 2009]. In einer Pilotstudie mit lebertransplantierten Patienten war nur eine 1-mal wöchentliche Dosis von 0,5mg Tacrolimus notwendig, um den Zielspiegel zu erhalten [Berenguer, J et al. 2009]. In jedem Fall soll der Tacrolimus-Spiegel engmaschig überwacht werden, um das Risiko einer Überdosierung mit konsekutiven Toxizitäten, insbesondere eine Nierenfunktionsstörung, oder auch einer Unterdosierung mit konsekutiver Abstoßungsreaktion zu vermeiden. Interaktionen von Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir mit den mTOR-Inhibitoren Sirolimus und Everolimus sind bisher nicht untersucht, es ist aber ebenfalls eine deutlich erhöhte Exposition gegenüber den mTOR-Inhibitoren zu erwarten. Aufgrund dieser potenten Interaktionen sollte die Komedikation von Calcineurin- bzw mTOR-Inhibitoren mit Paritaprevir/Ritonavir/ Ombitasvir nur als Therapieoption 2. Wahl und nur von erfahrenen Ärzten eingesetzt werden.