Erläuterungen

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Hintergrund

Für den Zweck dieser Leitlinie werden unter dem Begriff Stammzelltransplantation (SZT) sowohl die allogene als auch die autologe SZT unabhängig von der Zellquelle (das heißt peripheres oder Nabelschnurblut) zusammengefasst. 

Die Knochenmark-/ Stammzelltransplantation (KMT/SZT) kann das therapeutische Ansprechen bei Patienten mit verschiedenen hämato-onkologischen Erkrankungen verbessern. Eine virale Hepatitis wird in einer älteren prospektiven Studie mit 6 % als eine häufige Komplikation bei Patienten nach KMT/SZT angegeben [Locasciulli, A et al. 1999]. Da die HCV-Infektion meist nicht im Vordergrund für die Prognose des Patienten steht, stellt die Diagnose einer HCV-Infektion keine Kontraindikation für eine Transplantation dar [Torres, HA et al. 2015], [Varma, A et al. 2016], [Kyvernitakis, A et al. 2016], [Nakasone, H et al. 2013], [Ljungman, P et al. 2012] , [Tomblyn, M et al. 2012].

KMT/SZT-Empfänger mit einer chronischen HCV-Infektion weisen ein hohes Risiko für verschiedene Komplikationen auf, u. a. das Risiko einer akzelerierten Progression einer vorbestehenden Lebererkrankung, einer akuten HCV-Exazerbation, einer viralen Reaktivierung und einer erhöhten Mortalität [Peffault de Latour, R et al. 2008][Arai, Y et al. 2016][Ramos, CA et al. 2009][Evans, AT et al. 2015]. Zur Beurteilung der Prognose und der Infektiosität sollten deshalb vor einer geplanten Organ- und Knochenmarktransplantation alle Patienten auf das Vorliegen einer HCV-Infektion (Anti-HCV, falls positiv, HCV-RNA-Bestimmung) hin untersucht werden [Torres, HA et al. 2015].

Die hepatischen, extrahepatischen und onkologischen Verläufe von KMT/SZT-Empfängern, die eine HCV-Infektion aufweisen, müssen jedoch noch systematisch erfasst und charakterisiert werden, da Daten zum natürlichen Verlauf einer HCV-Infektion bzw. zur antiviralen Therapie nur spärlich vorhanden sind. Mit der Zulassung der neuen DAAs sollten HCV-infizierte Patienten nach KMT/SZT jedoch ebenfalls von der hochwirksamen und sicheren Therapie wie bei lebertransplantierten Patienten profitieren können. Erste Fallberichte zur antiviralen Therapie nach KMT/SZT wurden bereits publiziert [Kyvernitakis, A et al. 2016], [Fischler, B et al. 2016], [Thomas, P et al. 2016], [Piñana, JL et al. 2016]. Kürzlich hat die amerikanische Gesellschaft für Knochenmarktransplantation erstmals Empfehlungen für das Management der HCV-Infektion nach KMT/SZT veröffentlicht, die jedoch hauptsächlich auf konsentierten Expertenmeinungen beruhen. Nach KMT/SZT sollten folgende Patienten unverzüglich antiviral behandelt werden: Patienten mit einer fibrosierenden cholestatischen Hepatitis, Patienten mit einer Leberzirrhose, deren Zustand sich verschlechtert, und Patienten, die eine KMT/SZT aufgrund einer HCV-assoziierten lymphoproliferativen Erkrankung bekommen haben [Torres, HA et al. 2015]. Für HCVpositive Patienten nach KMT/SZT, die diese Kriterien nicht erfüllen, kann bis zur Immunrekonstitution abgewartet werden (I) [Torres, HA et al. 2015], [Kyvernitakis, A et al. 2016], die in der Regel nach 6 Monaten eintritt und mit einer Verringerung der immunsuppressiven Therapie und dem Absetzen der gängigen GVHD-Prophylaxe einhergeht. Wenn möglich und medizinisch vertretbar, sollten HCV-infizierte KMT/SZT-Kandidaten jedoch vor der KMT/SZT antiviral behandelt werden. Es gibt jedoch keine Daten, die belegen, dass eine HCV-Eradikation vor KMT/SZT den Verlauf nach Transplantation günstig beeinflusst, z. B. hinsichtlich des Risikos post KMT/SZT für die Entwicklung eines Sinusoidalen Obstruktionssyndroms, des Auftretens einer FCH oder der Rekurrenz der hämato-onkologischen Grunderkrankung. 

Darüber hinaus sollte gemäß den Empfehlungen des „Center for International Blood & Marrow Transplant Research“ (CIBMTR) sowie der „American Society for Blood and Marrow Transplantation“ (ASBMT) eine entsprechende Nachsorge und eine routinemäßige Impfung nach Immunrekonstitution zur Prävention von Infektionserkrankungen, u. a. Hepatitis B, erfolgen [Bone Marrow Transplant et al. 2009]

Im Falle einer KMT/SZT eines Anti-HCV-positiven Empfängers mit negativer HCV-RNA zum Zeitpunkt der Transplantation ist aufgrund der gängigen unteren Detektionsgrenze von < 10 – 15 IU/ml der kommerziell erhältlichen HCV-PCRs sowie der möglicherweise nur intermittierenden Virämie eine HCV-RNA-Bestimmung 3 und 6 Monate nach KMT/SZT anzuraten [Pawlotsky, JM et al. 2002], [Ferreira-Gonzalez, A et al. 2004], [Laperche, S et al. 2011].

Eine HCV-Infektion bei einem Spender sollte nicht mehr als Kontraindikation für eine Spende betrachtet werden. Zwar beträgt die HCV-Transmission nahezu 100 % im Falle einer KMT/ SZT-Spende für einen nicht-HCV-infizierten Empfänger [Shuhart, MC et al. 1994], jedoch sollte im Fall einer dringend notwendigen KMT/SZT und der fehlenden Möglichkeit einer vorherigen Eradikation der HCVInfektion beim Spender sowie fehlendem alternativem Spender die Transplantation nicht verzögert werden. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Anfertigung einer KMT/SZT dem deutschen Arzneimittelgesetz unterliegt und die entsprechenden Richtlinien beachtet werdenmüssen. Die neue DAA-basierte antivirale Therapie kann im Anschluss an die KMT/SZT mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Ausheilung der übertragenen HCV-Infektion führen, sodass das Risiko, an der zugrundeliegenden malignen hämatoonkologischen Erkrankung zu versterben das Risiko einer akquirierten potenziell heilbaren HCV-Infektion überwiegt. Andererseits beträgt das Risiko einer HCV-Transmission nahezu null Prozent, wenn zum Zeitpunkt der Spende eine negative HCVRNA vorliegt [Shuhart, MC et al. 1994], sodass prinzipiell eine antivirale Therapie in virämischen Spendern initiiert werden sollte, bevor eine KMT/SZTSpende erfolgt.

Da unter einer antiviralen Therapie mit DAA in der Regel eine negative HCV-RNA innerhalb der ersten 4 Wochen nach Therapiestart erreicht wird [Curry, MP et al. 2015], sollte, wenn medizinisch für den vorgesehenen Empfänger vertretbar, eine Latenz von 4 Wochen zwischen Beginn der antiviralen Therapie beim Spender und der vorgesehenen KMT/SZT-Gewinnung eingehalten werden.

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