Erläuterungen
Hintergrund
Für die schlechteren Überlebensraten nach Nierentransplantation von HCV-positiven Patienten im Vergleich zu HCV-negativen Nierentransplantat-Empfängern wird eine höhere Inzidenz von neu aufgetretenem Diabetes mellitus nach der Transplantation und dementsprechend häufigeren Herzkreislauferkrankungen, Glomerulonephritiden, Leberversagen und eine höhere Inzidenz an Malignomen verantwortlich gemacht [Curry, MP et al. 2015], [Yu, TM et al. 2016], [Abbas, MH et al. 2015], [Morales, JM et al. 2015], [Fabrizi, F et al. 2014], [Burra, P et al. 2014]. Das Ziel einer HCV-Behandlung von Nierentransplantat-Empfängern ist daher die Eradikation der Viruserkrankung, die jedoch in der Ära der Interferon-haltigen Regime mit der verbundenen schlechten Verträglichkeit der Regime sowie des erhöhten Risikos für zelluläre Transplantatreaktionen (51 %) nur in Ausnahmefällen angezeigt war und möglich war [Morales, JM et al. 2015]. Die Option einer Interferon-freien Therapie mit Einführung der DAAs hat zu einer erheblichen Erweiterung der Therapiemöglichkeiten nach NTX geführt. Auch wenn die Erfahrungen mit den aktuell verfügbaren DAAs noch limitiert sind, ist die antivirale HCV-Behandlung mit den neu verfügbar gewordenen bzw. künftig zu erwartenden DAA-basierten Therapieoptionen analog zu den Daten post LTX auch post NTX umsetzbar geworden [Singh, N et al. 2012], [Corouge, M et al. 2016], [Sawinski, D et al. 2016], [Kamar, N et al. 2016].
Der ideale Zeitpunkt für die HCV-Behandlung nach einer Nierentransplantation ist bisher nicht etabliert. Es ist jedoch zu argumentieren, dass eine frühe HCV Eradikation nach Nierentransplantation theoretische Vorteile haben könnte, darunter geringere Raten an neu aufgetretenem Diabetes mellitus und den damit verbundenen nachfolgenden Komplikationen (s. o. im Text). Diese Vorteile müssen jedoch mit dem Risiko einer akuten Abstoßung früh nach Transplantation und dem Potenzial von Medikamenteninteraktionen der DAAs mit den Immunsuppressiva korreliert werden (I) [Singh, N et al. 2012], [Corouge, M et al. 2016], [Sawinski, D et al. 2016], [Kamar, N et al. 2016]. Zusätzlich stellt sich die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt des antiviralen Therapiebeginns (z. B. HCV-positive vs. HCV-negative Empfänger). Das antivirale Therapiemanagement sollte sich nach den Empfehlungen bei HCV-Infektion bzw. Rekurrenz nach Lebertransplantation richten, unter Orientierung am HCV-Genotyp und am Status der Vortherapie (sowohl bei HCV-negativen als auch HCV-positiven Transplantatempfängern, vgl. Kapitel AG4). Daten bzgl. der Prävalenz einer HCV-Infektion und des natürlichen Verlaufs bei Patienten nach Herz- oder Lungentransplantation sind nur begrenzt verfügbar und zeigen eine reduzierte Überlebensrate von HCV-infizierten Herztransplantat- oder Lungentransplantat-Empfängern. Eine HCV-Infektion nach Herz- oder Lungentransplantation sollte deshalb behandelt werden (III/B) [Englum, BR et al. 2016], [Suarez-Benjumea, A et al. 2015], [Doucette, KE et al. 2016], [Fong, TL et al. 2011].
Berichte über den Verlauf der Hepatitis-C-Infektion vor oder nach Pankreas- oder Dünndarmtransplantation sind nicht verfügbar. Hinsichtlich einer antiviralen Therapie nach Herz-, Lungen-, Pankreas- oder Dünndarmtransplantation gibt es bisher keine verlässlichen Daten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die neuen DAA-basierten Therapieoptionen in Analogie zur Situation nach Nieren- oder Lebertransplantation eingesetzt werden können. Ein erster Fallbericht hierzu liegt vor [Lee, I et al. 2011]. Die Auswahl des Behandlungsregimes richtet sich nach Genotyp und Komedikation sowie dem Grad der eventuell vorhandenen Leberfibrose. Interaktionen mit den Immunsuppressiva und mögliche Risiken durch eine RBV-Gabe sind zu beachten. Ein Ausschluss HCV-positiver Patienten für die Listung zur Herz-, Lungen-, Pankreas- oder Dünndarmtransplantation erscheint nicht mehr gerechtfertigt.