Erläuterungen
Hintergrund
Eine HCV-Re-Infektion post LTX tritt universell auf: Damit benötigen nicht nur HCV-positive Transplantatempfänger, die ein HCV-positives Organ erhalten, sondern auch HCV-positive Patienten, die ein HCV-negatives Spenderorgan bekommen [Ellingson, K et al. 2011], eine effiziente antivirale HCV-Behandlung (siehe Kapitel AG4). Eine rekurrente Virushepatitis wurde bislang mit einem post LTX aufgetretenen Diabetes mellitus, einer fibrosierenden cholestatischen Hepatitis, einer rekurrenten Leberzirrhose sowie einem reduzierten Transplantat- und Patientenüberleben assoziiert [Ellingson, K et al. 2011]. Inwieweit sich diese Risiken bei der Transplantation einer HCV-positiven Leber potenzieren könnten, ist bislang unklar.
So gibt es auch Studiendaten, die nicht dafürsprechen, dass ein positiver HCV-Status des Spenderorgans einem HCV-negativen Spenderorgan bezüglich des Transplantatüberlebens unterlegen wäre [Marroquin, CE et al. 2001], [Álvaro, E et al. 2012]. Zudem wurden nach dem Einsatz anti-HCV-positiver Transplantate vielversprechende Ergebnisse zum Transplantat- oder Patientenüberleben berichtet, die von den Ergebnissen mit HCV-negativen Transplantaten nicht abzuweichen schienen [Velidedeoglu, E et al. 2002], [Burr, AT et al. 2011], [Northup, PG et al. 2010], [Lai, JC et al. 2012]. Die Ergebnisse scheinen aber nicht auf alle Organempfänger übertragbar zu sein (z. B. HIV/HCV-ko-infizierte vs. HCV-mono-infizierte Organempfänger) [Terrault, NA et al. 2012].
Aufgrund der Organknappheit und der fehlenden künstlichen Ersatzmöglichkeiten der insuffizienten Leber werden intensiv Möglichkeiten gesucht, den Spenderpool im Erwachsenenbereich zu erweitern. Die Verfügbarkeit einer, auch früh nach LTX, sicheren und hocheffizienten HCV-Therapie dürfte die Diskussion um die Verwendung HCV-positiver Organe perspektivisch auch bei HCV-negativen Empfängern fördern. Damit könnte sich die Aussicht auf eine verkürzte Zeit und reduzierte Sterblichkeit auf der Warteliste verbessern [Patwardhan, VR et al. 2015]. Bislang liegen für die Verwendung von HCV-positiven Spenderorganen noch keine prospektiven Studien zur Erprobung von prophylaktischen Therapieregimen oder dem optimalen Zeitpunkt für den Beginn einer antiviralen Therapie vor.
HCV-positive Spenderlebern wurden bisher nur in Ausnahmefällen einem HCV-negativen Empfänger transplantiert: Befürchtet wurden post LTX auftretende aggressivere Verläufe bei eingeschränkten Therapieoptionen sowie die Infektion des negativen Organempfängers. In einer Auswertung der Allgemeinbevölkerung in den USA (OPOs, organ procurement organizations), die zwischen 2004 – 2008 durchgeführt wurde, stellten sich 5,58 % aller Organspender als HCV-positiv heraus – gegenüber einer Prävalenz von 3,45 % bei Personen mit normalem Risiko [Ellingson, K et al. 2011]. Zu ähnlichen Ergebnissen ist auch eine Studie der „United Network for Organ Sharing“ (UNOS) gekommen [Kucirka, LM et al. 2009].
Künftig werden Studien benötigt, die einerseits Patienten mit dem Potenzial für ein optimales Therapieergebnis identifizieren und die Sicherheit sowie Wirksamkeit der neueren DAA-basierten Therapieoptionen in den frühen Wochen und Monaten ab Transplantation evaluieren. Patienten auf derWarteliste, die HCV-negativ sind und keine reelle Chance auf die rechtzeitige Allokation eines HCV-negativen Spenderorgans haben, könnten profitieren.
Zusätzlich stellt sich die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt des antiviralen Therapiebeginns (z. B. HCV-positive vs. HCV-negative Empfänger). Das antivirale Therapiemanagement sollte sich nach den Empfehlungen bei HCV-Infektion bzw. Rekurrenz nach Lebertransplantation richten, unter Orientierung am HCV-Genotyp und am Status der Vortherapie (sowohl bei HCV-negativen als auch HCV-positiven Transplantatempfängern; vgl. Kapitel AG4). Im seltenen Fall einer DAA-vorbehandelten Spenderleber mit Relapse besteht die Möglichkeit der Übertragung von HCV-Stämmen, welche Resistenz-assoziierte Varianten (RAVs) enthalten. In diesem Fall sollte schnellstmöglich eine Sequenzierung auf RAVs durchgeführt und bei der Auswahl des Therapieregimes die individuelle Resistenzlage beachtet werden (vgl. Kapitel AG 4, 4.5).
Die klinische Bedeutung von RAVs ist derzeit noch nicht geklärt, die Diversität und somit individuelle Kombinierbarkeit der inzwischen vorliegenden direkt-antiviralen Substanzen macht jedoch ein wiederholtes Therapieversagen äußerst unwahrscheinlich.