Erläuterungen

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Hintergrund

Eine HIV-Infektion stellt inzwischen keine Kontraindikation mehr gegen eine Lebertransplantation dar, da sowohl die Abstoßungs- und Infektionsraten als auch das mittelfristige Überleben von Graft und Patient unter antiretroviraler Therapie den Ergebnissen von Patienten entsprechen, die ohne HIV-Infektion transplantiert werden. Allerdings sind die Überlebensraten von Patienten mit HIV-HCV-Ko-Infektion deutlich schlechter und erreichen nur Werte von 64 bis 68 % nach einem Jahr bzw. 33 bis 51 % nach 5 Jahren [Ragni, MV et al. 2003], [de Vera, ME et al. 2006], [Schreibman, I et al. 2007], [Duclos-Vallée, JC et al. 2008], [Anadol, E et al. 2012], [Sawinski, D et al. 2015]. Eine US-amerikanische und eine spanische Studie haben prospektiv den Verlauf einer HIV-HCV-Ko-Infektion bei Lebertransplantation mit der HCV-Mono-Infektion detailliert verglichen [Terrault, NA et al. 2012], [Miro, JM et al. 2012]. Terrault et al. untersuchten 89 HIV-HCVko-infizierte Patienten im Vergleich zu 235 mono-infizierten Patienten, die an 17 US-amerikanischen Transplantationszentren transplantiert worden waren [Lawitz, E et al. 2015]. Das 1- und 3-Jahres-Überleben betrug bei den HIV-HCV-infizierten Patienten 76 bzw. 60% im Vergleich zu 92 und 79 % bei HCV-Mono-Infektion. Auch die Abstoßungsrate – besonders in den ersten 3 Wochen nach Transplantation – war bei den Ko-Infizierten signifikant erhöht (Hazardrate (HR) = 2,1). Eine Risikoanalyse der HIV-HCV-ko-infizierten Patienten identifizierte eine kombinierte Leber-/Nierentransplantation (HR = 3,8), BMI < 21 kg/mÇ (HR = 3,2), HCV-positiver Spender (HR = 2,5) und Alter (HR = 1,3 pro Dekade) als unabhängige Faktoren. In der spanischen Studie wurden 84 HIV-HCV-ko-infizierte Patienten mit 252 HCV-mono-infizierten Transplantatempfängern verglichen [Miro, JM et al. 2012]. Dabei unterschieden sich die Überlebensraten nach 1 Jahr nicht signifikant (88 vs. 90 %). Sie waren aber nach 3 (62 vs. 76 %) Jahren und 5 Jahren (54 vs. 71 %) bei den ko-infizierten Patienten deutlich schlechter. MELD-Score, Beschaffenheit des Spenderorgans, HCV-Genotyp1 und Transplantation an einem Zentrum mit geringer Erfahrung in der Transplantation HIV-positiver Patienten waren in dieser Studie die Risikofaktoren.

Obwohl in Einzelfällen eine Ausheilung der Hepatitis C auch nach Lebertransplantation beobachtet wurde [Bhagat, V et al. 2008], nimmt die HCV-Re-Infektion unbehandelt in der Regel bei HIV-HCV-Ko-Infizierten einen rasch progredienten Verlauf [Terrault, NA et al. 2012], [Schreibman, I et al. 2007], [Duclos-Vallée, JC et al. 2008]. Bei ca. 20 % der HIV-positiven Patienten kommt es in den ersten Monaten nach der Transplantation durch die HCV-Re-Infektion zu einer fibrosierend cholestatischen Hepatitis, die besonders ungünstig verläuft [Antonini, TM et al. 2011]: Drei Jahre nach Lebertransplantation leben nur noch ca. 15 % der Patienten mit dieser Verlaufsform der Hepatitis-C-Re-Infektion. 

In den letzten beiden Jahren hat die Verfügbarkeit Interferonfreier direkter antiviraler Medikamente die Prognose der Hepatitis C auch im Rahmen der Lebertransplantation revolutioniert, und mehrere Medikamentenkombinationen sind inzwischen verfügbar, die vor und nach einer Lebertransplantation über 90 % dauerhafte Virusfreiheit erreichen können (siehe Kapitel AG5). Auch bei fibrosierend cholestatischer Hepatitis C sind die neuen direkt antiviralen Medikamente erfolgreich eingesetzt worden (III) [Leroy, V et al. 2015] , [Herzer K, Welzel TM, Ferenci P et al. 2015]. In der Tat lassen die ersten publizierten Ergebnisse erwarten, dass mit direkt antiviralen Medikamenten die Therapie der Hepatitis C auch bei HIV-positiven Patienten mit einer Lebertransplantation deutlich verbessert wird (III) [Forns, X et al. 2015], [Grant, JL et al. 2016][Antonini, T. M. et al. 2015]. Die direkt antiviralen HCV-Medikamente sind zwar nebenwirkungsarm und werden im Allgemeinen von den Patienten gut toleriert. Dennoch bieten sie aufgrund ihres komplexen Metabolismus gerade bei der Transplantation von HIV-Patienten unter antiretroviraler Therapie zahlreiche Möglichkeiten für Medikamenteninteraktionen. Die Kombination aus Daclatasvir und Sofosbuvir hat das geringste Interaktionspotenzial mit allen gebräuchlichen Immunsuppressiva. Andererseits darf die Kombination aus Elbasvir und Grazoprevir nicht mit einer Einnahme von Cyclosporin kombiniert werden, da durch Hemmung der OATP1/3 ca. 15-fach erhöhte Wirkspiegel für Elbasvir/Grazoprevir erreicht werden. Cyclosporin hemmt neben der OATP1 auch P-Gp und CypA4 und soll deshalb auch nicht mit Simeprevir genommen werden, da die Wirkspiegel von Simeprevir auf das 5-fache ansteigen und die Cyclosporinspiegel um 20 % zunehmen (www.hep-druginteractions.org). Bei allen Patienten mit HIV-HCV-Ko-Infektion muss die Therapie engmaschig überwacht werden. Denn auch die antiretroviralen nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, die Proteasehemmer und die Boostersubstanz Ritonavir sind Hemmer und Induktoren des Cytochrom-P450-Arzneistoffwechsels, die die Wirkspiegel der Immunsuppressiva stark verändern können [Frassetto, LA et al. 2007]. Raltegravir ist ein neuer HIV-Integrasehemmer, der nicht über Cytochrom P450 verstoffwechselt wird und erfolgreich zusammen mit nukleosidischen Reverse-Transkriptasehemmern und Standard-Cyclosporin-Dosierungen bei der Organtransplantation eingesetzt wurde [Tricot, L et al. 2009].

Obwohl die bisherigen Anti-HCV-Therapien bei HIV-positiven Transplantierten nicht sehr erfolgreich waren, existieren bisher kaum Erfahrungen zur Re-Transplantation von HIV-HCV-ko-infizierten Patienten [Anadol, E et al. 2012], [Gastaca, M et al. 2012] , [Miro JM, Stock P et al. 2013]. Beim Vergleich von 13 HIVpositiven Patienten mit aktiver HCV-Re-Infektion und 157 HIV-negativen Patienten, die sich jeweils einer Retransplantation unterziehen mussten, war das 3-Jahres-Überleben bei den Ko-Infizierten deutlich schlechter (22 vs. 65 %). Deshalb wird bei Vorliegen ungünstiger Faktoren derzeit von einer Re-Transplantation bei HIV-positiven Patientenmit HCV-Re-Infektion noch abgeraten (III) [Miro JM, Stock P et al. 2013]. Es ist noch unklar, ob die neuen antiviralen Medikamente gegen HCV diese Empfehlung verändern können. Denn bisher sind optimaler Zeitpunkt, Therapieregime und Therapiedauer auch für eine erste Lebertransplantation bei HIV/HCV-positiven Patienten noch nicht definiert.

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