Erläuterungen
Hintergrund
Zu 1 Infektionen mit dem Hepatitis-C-Virus können zu einer Schädigung der Leber und dadurch zu erhöhten Aminotransferase-Aktivitäten im Serum führen. Entsprechend ist im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die Prävalenz von Anti-HCV und HCV-RNA in einem Kollektiv mit erhöhten Aminotransferase-Aktivitäten imSerum signifikant erhöht (I) [Wolffram, I et al. 2015]. Eine chronische Hepatitis C ist assoziiert mit dem Risiko für eine fortschreitende Leberfibrose und die Entstehung eines HCC (I) [de Martel, C et al. 2015], [Perz, JF et al. 2006], [Massard, J et al. 2006], [Niederau, C et al. 1998]. Es wird geschätzt, dass in Europa etwa 35 % der Leberzirrhosen und 32 % der hepatozellulären Karzinome auf eine HCV-Infektion zurückzuführen sind [Mühlberger, N et al. 2009]. Entsprechend sollen Personen mit klinischen, biochemischen oder bildmorphologischen Hinweisen auf eine chronische Lebererkrankung auf eine Infektion mit dem HCV untersucht werden.
In der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ DEGS1 von 2008 – 2011 wurde für Anti-HCV eine Prävalenz von 0,3 % und für HCV-RNA eine Prävalenz von 0,2 % beschrieben (I) [Poethko-Müller, C et al. 2013]. In einem systematischen Review, der die Literatur und Daten von 1990 bis 2013 berücksichtigte, wurde die Anti-HCV-Prävalenz für Deutschland und Österreich mit 0,5 %, für die Schweiz mit 1,6 % angegeben und für die HCV-RNA lag sie bei je 0,3 bzw. 1,2 % (I) [Bruggmann, P et al. 2014]. In einer prospektiven Untersuchung der HCV-Prävalenz in der Gruppe der 18 – 70-Jährigen aus dem Jahr 1999 war die Anti-HCV-Prävalenz 0,63 % [Palitzsch, KD et al. 1999]. In einer prospektiven Analyse der HCV-Prävalenz in allgemeinmedizinisch tätigen Arztpraxen im Rahmen des sogenannten Check-up 35 + war die HCV-Prävalenz etwas höher (I) [Wolffram, I et al. 2015]. In 0,95 % der Patienten war Anti-HCV positiv und in 0,43 % der Patienten war HCV-RNA nachweisbar. Bei 65 % der anti-HCV-positiven Patienten war vorher keine HCV-Infektion bekannt. In einer prospektiven Analyse der HCV-Prävalenz in Notaufnahmen von Krankenhäusern in Berlin und Frankfurt am Main wurde für Anti-HCV eine Prävalenz von 2,6 % und für HCVRNA eine Prävalenz von 1,6 % beschrieben [Vermehren, J et al. 2012]. In einer vergleichbaren Erhebung in der Notaufnahme in Bern lag die Prävalenz von Anti-HCV bei 2,7 % [Russmann, S et al. 2007]. Für die weiteren unter den Punkten 2.-12. aufgeführten Personengruppen wurde in Studien im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine erhöhte HCV-Prävalenz berichtet.
Zu 2 Die Prävalenz von HCV-Infektionen bei Neuspendern von Blut zur Herstellung von Blutprodukten lag in den Jahren zwischen 2008 – 2010 bei etwa 70 – 80 pro 100 000 Spenden [Offergeld, R et al. 2012]. Seit 1991 werden alle Blut- und Plasmaspenden auf Anti-HCV untersucht und seit 1999 zusätzlich verbindlich auf HCV-RNA mittels Nukleinsäure-Amplifikationstest (NAT). Seit Einführung des verbindlichen HCV-NAT Screenings wurde in Deutschland nur noch ein Fall einer HCV-Übertragung dokumentiert. Dagegen war der Empfang von Blutprodukten vor 1992 in einer prospektiven Analyse der HCV-Prävalenz in allgemeinmedizinisch tätigen Arztpraxen ein Risikofaktor für eine HCV-Infektion (I) [Wolffram, I et al. 2015].
Zu 3 Für die HCV-Prävalenz bei Transplantatempfängern liegen für Deutschland, Österreich oder die Schweiz keine systematischen Auswertungen vor. Vor 1991 wurden Spenderorgane, Knochenmark- oder Stammzellpräparationen nicht auf HCV untersucht, sodass auch hier ähnlich wie bei Blutprodukten von einem erhöhten Übertragungsrisiko ausgegangen werden muss.
Zu 4 In einer großen Querschnittuntersuchung der Anti-HCV und HCV-RNA-Prävalenz bei 2786 dialysepflichtigen Patienten im Jahre 1996 – 1997 wurde für Anti-HCV eine Prävalenz von 6,1 % und für HCV-RNA eine Prävalenz von 4,0 % ermittelt [Hinrichsen, H et al. 2002]. In der Gruppe der HCV-RNA-positiven Patienten konnte bei 21,6 % kein Anti-HCV mittels eines ELISA der dritten Generation detektiert werden. In einer ähnlichen Untersuchung von 2909 Patienten aus dem Jahr 2002 fanden sich ähnliche Ergebnisse für die Prävalenz (Anti-HCV 5,2 % und HCV-RNA 4,0 %), allerdings wurden in dieser späteren Studie keine HCV-RNA-positiven Patienten ohne Nachweis von Anti-HCV identifiziert [Ross, RS et al. 2009]. In der multivariaten Analyse blieben als Risikofaktor Transfusionen vor dem Jahr 1991 übrig. Das Fehlen von seronegativen HCV-Infektionen in der Gruppe der Dialysepatienten konnte in einer späteren Studie aus Deutschland erneut bestätigt werden [Mederacke, I et al. 2011]. Die Dauer der Dialysepflicht hatte aber auch in der Gruppe von Patienten, die keine Bluttransfusionen erhalten hatte, einen Einfluss auf die HCV-Prävalenz. Mit Zunahme der Dialysedauer stieg die HCV-Prävalenz [Hinrichsen, H et al. 2002]. Mit den heute etablierten Maßnahmen zur Prävention von HCV-Übertragungen in Dialyseeinrichtungen scheinen Neuinfektionen sehr selten geworden zu sein. Von einem Kollektiv von 2100 Patienten aus Dialyseeinrichtungen in Deutschland wurden im Abstand von einem Jahr zwei Proben untersucht. Dabei fand sich kein Hinweis auf eine Neuinfektion [Ross, RS et al. 2009].
Zu 5 Der intravenöse Gebrauch von Drogen gehört in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den wichtigsten Risikofaktoren für eine HCV-Infektion. In prospektiven Analysen in allgemeinmedizinisch tätigen Arztpraxen und in Notaufnahmen der Krankenhäuser in Deutschland war der intravenöse Drogenkonsum der wichtigste Risikofaktor für eine HCV-Infektion [Wolffram, I et al. 2015], [Vermehren, J et al. 2012]. In einer vom Robert Koch-Institut (RKI) initiierten Studie in Einrichtungen der Drogenhilfe zu „Drogen und chronischen Infektionskrankheiten“ (DRUCK-Studie) bei Drogenkonsumenten von acht großen deutschen Städten fand sich für Anti-HCV eine Prävalenz zwischen 37 und 73 % und für HCV-RNA eine Prävalenz zwischen 23 und 54 % [R, Zimmermann et al. 2015], [Wenz, B et al. 2016]. Bei den Meldungen der HCV-Infektionen an das RKI im Jahr 2014 wurde bei 81,5 % der Fälle mit belastbaren Angaben zum Übertragungsweg intravenöser Drogenkonsum als wahrscheinlichster Übertragungsweg angegeben [A, Kühne et al. 2015], [RKI et al. 2016].
Zu 6 Die Prävalenz für Marker einer Hepatitis C (Anti-HCV oder HCV-RNA) lag in einer prospektiven Untersuchung von 1125 Insassen einer Justizvollzugsanstalt (JVA) in Hameln bei 8,6 % [Meyer, MF et al. 2007]. In einer retrospektiven Auswertung der HCV-Infektionen in 31 deutschen JVAs wurde eine HCV-Prävalenz von 14,3 % ermittelt [Schulte, B et al. 2009]. Die erhöhte HCV-Prävalenz korrelierte mit der erhöhten Zahl von i. v.-Drogengebrauchern (21,9 %) in den JVAs.
Zu 7 Aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz liegen keine systematischen Daten zur Bedeutung von Tätowierungen als Risikofaktor für HCV-Infektionen vor. International ist die Datenlage ebenfalls kontrovers. In einer multizentrischen Fall-Kontroll-Studie aus Frankreich war das Vorhandensein von Tätowierungen auch nach Ausschluss von Patienten mit anderen Risikofaktoren ein unabhängiger Risikofaktor für eine HCV-Infektion (IV) [Carney, K et al. 2013]. In einer Metaanalyse zur Bedeutung von Tätowierungen und Piercings für das Risiko einer Hepatitis C gab es keine Hinweise auf ein erhöhtes HCV Risiko, wenn die Tätowierungen oder Piercings durch professionelle Anbieter vorgenommen wurden (II) [Tohme, RA et al. 2012]. Dagegen war das Risiko für eine Hepatitis C bei Tätowierungen oder Piercings im nicht-professionellen Setting signifikant erhöht (II) [Tohme, RA et al. 2012].
Zu 8 In verschiedenen Studien wurde eine erhöhte HCV-Prävalenz in HIV-positiven Personen beobachtet. In einer Untersuchung von 232 HIV-positiven Patienten in einem deutschen Zentrum aus den Jahren 1992 – 1993 waren 23 % Anti-HCV-positiv [Ockenga, J et al. 1997]. In einer Untersuchung der HCV-Prävalenz in einer prospektiv gesammelten Kohorte von 918 therapie-naiven HIV-positiven Patienten aus den Jahren 2002 – 2010 waren 10,6 % Anti-HCV-positiv [Reuter, S et al. 2011]. In der HIV-Serokonverter-Studie waren in einer Gruppe von 1838 HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, 8,2 % Anti-HCV-positiv (I). Bei Personen mit serologischen Markern für eine HBV-Infektion wurde ebenfalls eine erhöhte HCV-Prävalenz beobachtet. In einer prospektiven Untersuchung von 5312 Personen im Alter von 18– 70 Jahren wurde in der Gruppe der Anti-HBc-positiven Personen eine Anti-HCV Prävalenz von 3,1 % beschrieben [Jilg, W et al. 2001].
Zu 9 Obwohl in prospektiven Studien kein Hinweis auf eine sexuelle Übertragung von HCV in diskordanten heterosexuellen Paaren gefunden wurde, war in verschiedenen Untersuchungen die HCV-Prävalenz von Sexualpartnern und Haushaltsangehörigen von HCV-positiven Personen auf ca. 2 – 10 % erhöht [Tohme, RA et al. 2010]. Dabei können andere gemeinsame Risikofaktoren für eine parenterale Übertragung eine mögliche Erklärung für die beobachtete erhöhte HCV-Prävalenz sein.
Zu 10 Die HCV-Prävalenz ist bei Patienten mit sexuellem Risikoverhalten erhöht. So ist das Risiko für eine HCV-Infektion bei heterosexuellen Personen mit multiplen Sexpartnern auf etwa das Doppelte erhöht [Tohme, RA et al. 2010]. Die erhöhte HCV-Inzidenz in homosexuellen Personen, MSM und hier in der Gruppe der Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern bzw. mit Hochrisiko-Sexual-Praktiken wurde in vielen Untersuchungen dokumentiert [Tohme, RA et al. 2010]. Auch Personen mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) haben ein erhöhtes Risiko für eine HCV-Infektion, dies gilt insbesondere für die Gruppe der HIV-positiven Personen [Tohme, RA et al. 2010]. In einer Untersuchung aus Deutschland aus dem Jahr 1992 war die Prävalenz von Anti-HCV in einer Personengruppe mit STI bei 5,3 % und lag damit signifikant höher im Vergleich zu einer Kontrollgruppe [Petersen, EE et al. 1992].
Zu 11 In einer Untersuchung der Mutter-zu-Kind-Übertragung von HCV in Deutschland aus dem Jahr 1997 wurde eine Übertragungsrate von 5% ermittelt [Polywka, S et al. 1997]. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2001 waren ebenfalls durchschnittlich 5 % der Neugeborenen von anti-HCV-positiven Müttern mit HCV infiziert [Yeung, LT et al. 2001]. Eine Ko-Infektion mit HIV war in der Metaanalyse ein Risikofaktor für eine Übertragung von HCV. In einer retrospektiven Analyse von 711 Kindern von anti-HCV-positiven Müttern aus Spanien war die Übertragungsrate insgesamt 2,4 % (III) [Garcia-Tejedor, A et al. 2015]. Nachweis von HCV-RNA bei der Mutter, invasive Prozeduren während der Geburt und eine Episiotomie waren in dieser Studie Risikofaktoren für eine Übertragung von HCV (III) [Garcia-Tejedor, A et al. 2015].
Zu 12 In einer prospektiven Studie der HCV-Prävalenz in allgemeinmedizinisch tätigen Arztpraxen im Rahmen des sogenannten Check-up 35+ war ein Migrationshintergrund aus Asien, Afrika, Osteuropa, Südamerika oder aus dem Mittelmeerraum ein Risikofaktor für eine HCV-Infektion [Wolffram, I et al. 2015]. In dieser Personengruppe war die Prävalenz von Anti-HCV auf 1,5 % erhöht. In einer gezielten Untersuchung der HCV-Prävalenz bei Patienten mit Migrationshintergrund (87 % aus dem Mittelmeerraum und 12 % aus Osteuropa) lag die Prävalenz von Anti-HCV bei 1,9 % (I) [Heidrich, B et al. 2014]. In einer Untersuchung von Insassen einer JVA in Deutschland war die HCV-Prävalenz bei Insassen mit Migrationshintergrund aus Osteuropa im Vergleich zu Insassen aus Deutschland signifikant erhöht [Meyer, MF et al. 2007].
Systematische Daten zur Prävalenz von Anti-HCV bei Personen mit beruflich bedingtem Infektionsrisiko liegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht vor. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2003 schien die HCV-Prävalenz im Vergleich zur übrigen Bevölkerung nicht deutlich erhöht zu sein [Henderson, DK et al. 2003]. In einer jüngeren Metaanalyse wurde dagegen das Risiko für eine HCV-Infektion bei Personen mit beruflich bedingtem Infektionsrisiko als erhöht bewertet [Westermann, C et al. 2015]. Das Risiko einer Übertragung bei einer Nadelstichverletzung mit einer Hohlnadel, die mit HCV-positivem Blut kontaminiert ist, wird auf etwa 1 % geschätzt. Der HCV-Status sollte bei Personen mit beruflich bedingtem Infektionsrisiko überwacht werden und der Verdacht auf eine HCV-Infektion durch berufliche Exposition bei den zuständigen Stellen gemeldet werden. Die Kenntnis über den HCV-Status kann außerdem für die Einschätzung des Übertragungsrisikos bei bestimmten Tätigkeitsprofilen bedeutsam sein. Die jeweiligen nationalen gesetzlichen Vorgaben sind dabei zu beachten.
Bei Spendern von Blut, Organen und Geweben soll zum Schutz vor Neuinfektionen eine HCV-Infektion ausgeschlossen werden. Die jeweiligen nationalen gesetzlichen Vorgaben zum infektiologischen Spender-„Screening“ sind dabei zu beachten.