Können Organe eines SARS-CoV-2 infizierten Spenders für eine Lebertransplantation akzeptiert werden?
Hintergrund
In Deutschland werden alle Organspender auf SARS-CoV-2 mittels PCR aus Rachen- und/oder endotrachealem Abstrich getestet. Bis vor kurzem wurden nur SARS-CoV-2 negative Organspender durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation akzeptiert. Aktuell ist dies jedoch in Änderung, und es werden jetzt in ausgewählten Fällen auch Organe von SARS CoV-2 positiven Spendern angeboten werden (https://dso.de/organspende/news-veranstaltungen/news/Organspende%20und%20SARS%20COV-2/COVID-19/19).
Prinzipiell ist die Übertragung einer SARS-CoV-2 Infektion durch einen infizierten Spender denkbar, da in der Leber verstorbener Patienten SARS-CoV-2 nachgewiesen werden konnte [Chornenkyy, Y et al. 2021] . Bisher ist jedoch kein Fall einer gesicherten Übertragung des Coronavirus auf einen Lebertransplantatempfänger bekannt. Lagana et al [Lagana, SM et al. 2020] vermuteten zwar, dass es zu einer Übertragung durch eine infizierte Mutter auf ihr Kind im Rahmen einer Lebendspende gekommen sein könnte. Die Lebendspenderin wurde erstmals 2 Tage postoperativ positiv auf das SARS-CoV-2 getestet. Das Kind entwickelte am 4. postoperativen Tag Fieber, Dyspnoe, Diarrhoe sowie eine ausgeprägte Hepatitis und hatte eine positive SARS-CoV-2 PCR. Somit ist eine perioperative Übertragung bei engem Kontakt zwischen Mutter und Kind nicht auszuschließen.
Inzwischen wurden einige kleine Fallserien [Malleeswaran, S et al. 2021] , [Romagnoli, R et al. 2021] , [Kulkarni, AV et al. 2021] und einzelne Fälle [Yetmar, ZA et al. 2022] , [Manzia, TM et al. 2021] , [Wall, AE et al. 2022] , [Barros, N et al. 2021] , [de la Villa, S et al. 2021] beschrieben, bei denen Lebertransplante von SARS-CoV-2 positiven Spendern mit oder ohne positive SARS-CoV-2 PCR zum Zeitpunkt der Transplantation auf Empfänger mit durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion transplantiert wurden. Bei einigen der Empfänger konnte zum Zeitpunkt der Transplantation noch SARS-CoV-2 mittels PCR im Nasenrachenraum nachgewiesen werden. Bisher kam es in keinem der Empfänger zu einer COVID-19 Erkrankung mit klinisch relevanter Symptomatik.
In zwei Fällen [La Hoz, RM et al. 2022] wurden im Rahmen einer Leberlebendspende die Organe von SARS-CoV-2 positiven Spendern mit niedrigen Viruskonzentrationen auf ungeimpfte Empfänger ohne vorherige SARS-CoV-2 Infektion transplantiert. Keiner der Empfänger entwickelten eine SARS-CoV-2 Infektion [La Hoz, RM et al. 2022] . Weiterhin kam es durch einen Lebendspender, der 2 Tage nach Spende mit SARS-CoV-2 diagnostiziert wurde, nicht zu einer Transmission auf den ungeimpften Empfänger ohne bisherige SARS-CoV-2 Infektion [Hong, HL et al. 2020] .
Hierauf basierend kann die Transplantation einer Leber eines SARS-CoV-2 positiven Spenders unter Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, insbesondere bei Empfängern mit durchgemachter oder auch noch aktiver SARS-CoV-2 Infektion. In Italien wird dies seit November 2020 durchgeführt [Romagnoli, R et al. 2021] . Aber auch die Transplantation der Leber eines SARS-CoV-2 positiven Spenders auf einen Empfänger ohne Nachweis einer durchgemachten SARS-CoV-2 Infektion erscheint, insbesondere vor dem Hintergrund der inzwischen verfügbaren antiviralen Behandlungsoptionen, gerechtfertigt, wenngleich dazu noch keine Erfahrungen vorliegen. Bei unklarem oder fehlendem Immunschutz des Empfängers sollte dann perioperativ eine prophylaktische antivirale Therapie erfolgen. Diese kann auch bei Empfängern mit vorangegangener Impfung in Erwägung gezogen werden. Als Prophylaxe kann eine passive Immunisierung mit vorzugsweise intravenös zu applizierenden neutralisierenden monoklonalen Antikörpern gegen das Spike-Protein erfolgen, wobei darauf zu achten ist, dass diese eine Effektivität gegenüber der beim Spender vorliegenden Virusvariante aufweisen. Die aktuell zur intravenösen Gabe zur Verfügung stehenden Antikörper Casirivimab plus Imdevimab zeigten in In-vitro-Studien keine Wirksamkeit gegenüber der SARS-CoV-2 Variante Omikron (Voc: variant of concern), die Wirkung des intravenös zu verabreichenden Sotrovimab gegen VoC-Omikron BA.2 ist unklar (ggf. könnte eine doppelte Dosis notwendig sein), während Tixagevimab plus Cilgavimab mit gewisser in-vitro Aktivität gegenüber VoC-Omikron bisher nur in intramuskulärer Applikation vorliegen (siehe auch Empfehlung in Kapitel: Wie ist die SARS-CoV-2 Infektion und die COVID-19 Erkrankung von Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste zu behandeln?). Alternativ kann eine antivirale Therapie mit intravenös zu verabreichendem Remdesivir oder oral zu verabreichendem Molnupiravir erwogen werden, während aufgrund relevanter Medikamenteninteraktion mit den Calcineurininhibitoren das mit Ritonavir geboosterte Nirmatrelvir nicht gegeben werden sollte.
Für die Entscheidungsfindung zur Akzeptanz eines Lebertransplantats von einem SARS-CoV-2 positiven Spenders sollte neben der Dringlichkeit der Transplantation und dem Serostatus des Empfängers auch der Verlauf der SARS-CoV-2 Infektion des Spenders mit einbezogen werden, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Infektion, Schwere der COVID-19 Erkrankung, Höhe der SARS-CoV-2 Konzentration im nasopharyngealen und endotrachealem Abstrich, Vorliegen von Antikörpern und ggf. auch Kenntnis des Variantentyps. In jedem Fall muss eine ausführliche Aufklärung des Empfängers erfolgen und dessen Einverständnis vorliegen.