Algorithmus zur Anpassung der Immunsuppression bei Patienten nach Lebertransplantation und COVID-19

Text

Algorithmus zur Anpassung der Immunsuppression bei Patienten nach Lebertransplantation und COVID-19 (adaptiert nach [Colmenero, J et al. 2021]). CNI, Calcineurininhibitor; MMF, Mycophenolat Mofetil; mTOR-I, mTOR Inhibitor

Hintergrund

Aufgrund des nach schwerer COVID-19-Erkrankung bestehenden erhöhten Risikos sekundärer Infektionen [Rawson, TM et al. 2020] , sollte eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber potentiellen bakteriellen, viralen und mykologischen Infektionen bestehen und entsprechende Screening-Untersuchungen auf das Vorliegen solcher Infektionen niedrigschwellig zu Einsatz kommen.

Die Prinzipien der Therapie der COVID-19-Erkrankung unterscheiden sich prinzipiell nicht zwischen Patienten mit bzw. ohne Organtransplantation. Eine Dexamethason-Behandlung (6 mg einmal täglich über einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen) erhöht die Überlebenschancen von Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung, die Sauerstoff benötigen oder mechanisch beatmet werden, verbessern kann [Horby, P et al. 2021] , [Wagner, C et al. 2021] (Details siehe Empfehlungen in Kapitel: Wie ist die SARS-CoV-2 Infektion und die COVID-19 Erkrankung von Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste zu behandeln? , Tabelle: Besondere Hinweise bei Arzneimitteln, die für eine SARS-CoV-2-Behandlung bei Patienten vor und nach Lebertransplantation eingesetzt werden können). Die empfohlene Dosis Dexamethason entspricht 40 mg Prednison pro Tag und ist damit wesentlich höher als eine übliche Steroiderhaltungs-Therapie bei Transplantatempfängern. Die bestehende immunsuppressive Therapie sollte daher angepasst werden, da unabhängig von den verabreichten Behandlungen das Risiko von sekundären Infektionen nach schwerer COVID-19-Erkrankung erhöht ist [Rawson, TM et al. 2020] . Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Risiken und Vorteile der Anwendung von Dexamethason bei Transplantatempfängern mit COVID-19, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, die auch Kortikosteroide einschließt, allerdings nicht bekannt. Daher ist die Empfehlungsstärke geringer als bei nichttransplantierten Patienten.

Als weitere wichtige Maßnahme wird eine prophylaktische Dosis von niedermolekularem Heparin bei hospitalisierten Patienten oder und auch bei ambulanten Patienten mit einer Koagulopathie gemäß den Empfehlungen der International Society on Thrombosis and Haemostasis empfohlen, solange keine Kontraindikationen vorliegen [Thachil, J et al. 2020] . Der Einsatz von prophylaktischem niedermolekularem Heparin bei Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung ist mit einer niedrigeren Letalität assoziiert [Levi, M et al. 2020] . Eine Alternative zur Therapie mit NMH ist Fondaparinux [Kluge, S et al. 2020] (siehe Empfehlungen in Kapitel: Wie ist die SARS-CoV-2 Infektion und die COVID-19 Erkrankung von Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste zu behandeln?).

Die zahlreichen offenen Fragen zum natürlichen Verlauf und zum Management von SARS-CoV-2 Infektionen bei Patienten nach Lebertransplantationen sollten im Rahmen eines Registers mit langer Nachbeobachtungszeit beantwortet werden:

  • Länge der Infektiosität nach Symptombeginn bzw. Diagnose der Infektion unter Immunsuppression;
  • Unterschiede im natürlichen Verlauf verschiedener SARS-CoV-2 Varianten;
  • Dauer des Immunschutzes nach durchgemachter Infektion (bei Zirrhose bzw. unter Immunsuppression);
  • Inzidenz akuter und chronischer Abstoßungsreaktionen nach COVID-19, insbesondere bei Patienten, deren Immunsuppression während der akuten Erkrankung reduziert wurde;
  • Inzidenz von Sekundärinfektionen (Bakterien, Pilze, sonstige Viren), insbesondere bei Patienten, die Dexamethason oder andere immunmodulatorische Therapien erhalten haben;
  • Inzidenz von anderen Langzeitfolgen von COVID-19 bei transplantierten Patienten.
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