Wie ist die SARS-CoV-2 Infektion und die COVID-19 Erkrankung von Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste zu behandeln?

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Hintergrund

Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste gehören zu den Personen mit einem hohen Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf [Boettler, T et al. 2020] . Mit zunehmendem Schweregrad der Zirrhose steigt das Letalitätsrisiko. In dem internationalen EASL COVID-Hep/SECURE-Cirrohosis Register hatten Patienten mit Zirrhose in den Stadien CTP-A (odds ratio [OR] 1,90), CTP-B (OR 4,14) und CTP-C (OR 9,32) ein erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu COVID-19 Patienten mit chronischer Lebererkrankung ohne Zirrhose [Marjot, T et al. 2021] . Andere Kohortenstudien bestätigen diese Ergebnisse [Bajaj, JS et al. 2021] , [Iavarone, M et al. 2020] .

Bei einer symptomatischen SARS-CoV-2 Infektion besteht außerdem das Risiko der akuten hepatischen Dekompensation. Diese trat im EASL COVID-Hep/SECURE-Cirrhosis bei 47% der Patienten mit Zirrhose und COVID-19 Erkrankung auf [Marjot, T et al. 2021] . Die hepatische Dekompensation kann in ca. 25 % der Fälle der erste und einzige Hinweis auf eine SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten mit Zirrhose sein [Marjot, T et al. 2021] .

Im Fall einer hepatischen Dekompensation oder eines akut-auf-chronischen Leberversagens (ACLF) soll die Behandlung analog der aktuellen nationalen [Gerbes, AL et al. 2019] und internationalen [J Hepatol et al. 2018] Leitlinien erfolgen.

Antikoagulation
Es ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass möglichweise venöse thromboembolische Ereignisse (VTE) zum Pathomechanismus der schweren COVID-19 Erkrankung beitragen [Lazzaroni, MG et al. 2021] , [Levi, M et al. 2020] . Aufgrund des oft mit der dekompensierten Zirrhose assoziierten hyperkoagulablen Zustands [Søgaard, KK et al. 2009] , besteht dann ein besonderes Risiko für VTE. Sowohl die nationalen [Kluge, S et al. 2020] als auch die Leitlinien der International Society on Thrombosis and Haemostasis [Thachil, J et al. 2020] empfehlen eine universelle Thromboseprophylaxe mit niedrigmolekularem Heparin (NMH) in Standarddosis für alle hospitalisierten Patienten mit COVID-19. Die Empfehlungen basieren auf zahlreichen Studien, die gezeigt haben, dass eine prophylaktische Antikoagulation das Ergebnis bei Patienten mit COVID-19 verbessert [Flumignan, RL et al. 2022]  .

Obwohl die Definition von "Hochrisiko" nicht explizit Patienten mit Lebererkrankungen berücksichtigt, kann eine Zirrhose in mehreren gut validierten VTE-Risikoscores als erworbene Thrombophilie interpretiert werden [Spyropoulos, AC et al. 2011] , [Nendaz, M et al. 2014] . In der Tat hat die Antikoagulation bei Zirrhose nachweislich antifibrotische Eigenschaften, reduziert den Portaldruck und kann einen Überlebensvorteil bieten [Turco, L et al. 2019] . Während es in der Vergangenheit Vorbehalte gegen den Einsatz von Antikoagulanzien bei Patienten mit Zirrhose und portaler Hypertension gab, konnte in einem systematischen Review kein erhöhtes Risiko an Blutungsereignissen bei Patienten mit Zirrhose und Pfortaderthrombose unter Antikoagulation nachgewiesen werden [Loffredo, L et al. 2017] . In einer multizentrischen Studie konnten bei 40 Patienten mit Zirrhose und COVID-19 bei der prophylaktischen Therapie mit NMH kein gesteigertes Blutungsrisiko beobachtet werden. Es gab nur 2 milde hämorrhagische Ereignisse (Epistaxis und Hämaturie) [Iavarone, M et al. 2020] . Da Patienten mit fortgeschrittener Zirrhose in den publizierten und aktiven Studien, die die optimale Thromboseprophylaxe bei COVID-19 untersuchen, meist ausgeschlossen wurden, bleibt die Evidenz zur optimalen prophylaktischen Strategie gering [Tritschler, T et al. 2020] , [Lemos, ACB et al. 2020] . Die Gabe einer therapeutischen Antikoagulation bei nicht-intensivpflichtigen Patienten mit COVID-19 und fortgeschrittener Leberzirrhose und portaler Hypertension sollte individuell entschieden werden.

Die Ergebnisse der Multiplattform-Studie für COVID-19-Patienten (allerdings ohne Lebererkrankung / Leberzirrhose), die intensivmedizinisch behandelt wurden und eine therapeutische Antikoagulation erhielten, zeigten keinen Vorteil im Vergleich zur prophylaktischen Antikoagulation, während das Blutungsrisiko signifikant erhöht war (3,8 % vs. 2,3 %) [Goligher, EC et al. 2021] . Im Gegensatz dazu zeigte die therapeutische Antikoagulation bei COVID-19-Patienten, die nicht auf der Intensivstation behandelt wurden, einen Vorteil gegenüber der Prophylaxe. Als Erklärung werden potentiell entzündungshemmende und antivirale Eigenschaften der Heparine diskutiert. Blutungskomplikationen traten jedoch in der Gruppe mit therapeutischer Antikoagulation häufiger auf (1,9 % gegenüber 0,9 % in der Prophylaxe-Gruppe) [Lawler, PR et al. 2021] .

Die RAPID-Studie bei mäßig kranken hospitalisierten Patienten mit COVID-19 und erhöhten D-Dimer-Werten zeigte, dass Heparin in therapeutischer Dosierung nicht signifikant mit einer Verringerung des primären kombinierten Endpunktes (Tod, invasiver mechanischer Beatmung, nicht-invasiver mechanischer Beatmung oder Einweisung in eine Intensivstation) verbunden war, aber die Wahrscheinlichkeit nach 28 Tagen zu versterben verringerte. Das Risiko schwerer Blutungen war in dieser Studie insgesamt gering [Sholzberg, M et al. 2021] .

Basierend auf diesen Daten kann eine therapeutische Antikoagulation mit NMH bei nicht intensivmedizinisch behandlungsbedürftigen Patienten mit COVID-19 und erhöhtem Risiko (z. B. D-Dimere ≥ 2 mg/l) erwogen werden, wenn das Blutungsrisiko gering ist.

In der ACTION-Studie wurde kein signifikanter Unterschied hinsichtlich klinischer Endpunkte (Zeit bis zum Tod, Dauer des Krankenhausaufenthalts oder Dauer der zusätzlichen Sauerstoffzufuhr bis Tag 30) zwischen der prophylaktischen und der therapeutischen Antikoagulation mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAK, Rivaroxaban) bei Patienten, die nicht auf der Intensivstation behandelt wurden, beobachtet [Lopes, RD et al. 2021] .

Die INSPIRATION-Studie zeigte keinen Vorteil hinsichtlich des kombinierten klinischen Endpunkts (Kombination aus venöser oder arterieller Thrombose, Behandlung mit extrakorporaler Membranoxygenierung oder Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen) einer intensivierten prophylaktischen Antikoagulation gegenüber einer prophylaktischen Antikoagulation bei Patienten, die auf der Intensivstation aufgenommen wurden [Sadeghipour, P et al. 2021] .

Als eine Alternative zur Therapie mit NMH kann nach der Empfehlung der deutschen S3-Leitline Fondaparinux eingesetzt werden [Kluge, S et al. 2020] , [Chirurg et al. 2021] .

Weitere Therapiekonzepte für COVID-19 beinhalten antivirale Ansätze in der frühen ersten Krankheitsphase und die immunmodulierende Therapie des Zytokinsturms in der zweiten Krankheitsphase (Tabelle: Besondere Hinweise bei Arzneimitteln, die für eine SARS-CoV-2-Behandlung bei Patienten vor und nach Lebertransplantation eingesetzt werden können).

Antivirale Therapien
Monoklonale Antikörper: Mehrere monoklonale Antikörper (mAbs) sind zur passiven Immunisierung von SARS-CoV-2 infizierten Patienten mit erhöhtem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs und fehlender oder unvollständiger Immunisierung zugelassen. In randomisierten, plazebokontrollierten Studien bei nicht hospitalisierten Patienten mit leichten bis mäßigen COVID-19-Symptomen und bestimmten Risikofaktoren für ein Fortschreiten der Erkrankung verringerte die Anwendung von Anti-SARS-CoV-2-MAb (z. B. Casirivimab plus Imdevimab [Weinreich, DM et al. 2021] , Regdanvimab, Bamlanivimab plus Etesevimab [Dougan, M et al. 2021] oder Sotrovimab [Gupta, A et al. 2021] ) das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Tod. Allerdings ist die Sicherheit der Evidenz für alle nicht hospitalisierten Personen gering und für hospitalisierte Personen sehr gering bis mäßig [Kreuzberger, N et al. 2021] . Die Evidenz ist wahrscheinlich auch deshalb schwach, da in mehreren Studien der SARS-CoV-2-Antikörperstatus nicht berücksichtigt wurde. Bemerkenswert ist, dass in der RECOVERY-Plattformstudie, an der 9785 Patienten teilnahmen, die nach dem Zufallsprinzip Casirivimab und Imdevimab im Vergleich zu Plazebo erhielten, die Zuteilung der mAbs nicht mit signifikanten Unterschieden bei den klinischen Ergebnissen verbunden war, wenn alle Patienten zusammen betrachtet wurden (einschließlich derer mit unbekanntem Antikörperstatus). Allerdings zeigte die Studie eine niedrigere 28-Tage-Sterblichkeit mit mAbs bei Patienten, die bei Studienbeginn seronegativ waren [Lancet et al. 2022] .

Wichtig ist, dass Zellkulturstudien zeigen, dass mehrere der therapeutischen Antikörper gegenüber der SARS-CoV-2-Variante Omicron wenig neutralisierende Wirksamkeit zeigen [Hoffmann, M et al. 2022] . Auch Sotrovimab scheint in vitro bei guter Wirksamkeit gegenüber der Omicron-Variante BA.1 gegenüber der Omicron-Sublinie BA.2 wahrscheinlich weniger effektiv zu sein [Iketani, S et al. 2022] . Ob sich diese in vitro Ergebnisse auf die in-vivo Situation übertragen lassen, ist bisher unklar. Aktuell wird daher diskutiert, die Dosis bei Vorliegen von Omicron BA.2 auf 1000 mg zu verdoppeln. Tixagevimab plus Cilgavimab zeigten in vitro eine Aktivität gegenüber der Omikoronvaritante BA.251 und diese Antikörperkombination ist bisher (Mai 2022) nur für den prophylaktischen Einsatz auf der Grundlage der PROVENT-Studie [17271 et al. 2021] zugelassen (siehe prophylaktischer Einsatz von mAbs).

In der TACKLE-Studie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit der therapeutischen Applikation von Tixagevimab plus Cilgavimab im Vergleich zu Plazebo bei 903 ambulanten Patienten mit COVID-19 (symptomatisch seit ≤7 Tagen) evaluiert und zeigte eine Risikoreduzierung von 50% für die Entwicklung einer schweren COVID-19 Erkrankung oder Tod [17272 et al. 2021].

Einschränkungen bei der Verwendung monoklonaler Antikörper sind die parenterale Verabreichung, die erforderliche klinische Überwachung während der Infusion und für ≥1 Stunde nach der Infusion, mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen sowie die Unsicherheit über deren Wirksamkeit gegenüber neu auftretenden SARS-CoV-2-Varianten. Darüber hinaus konnte bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, die mit dem monoklonalen Antikörper Bamlanivimab behandelt wurden, das Auftreten vin SARS-CoV-2 Viren mit Mutationen im Spike-Protein (z. B. E484K) nachgewiesen werden. Obwohl Bamlanivimab als Monotherapie nicht empfohlen wird und die EMA das Zulassungsverfahren für Bamlanivimab plus Etesevimab auf Antrag des Unternehmens gestoppt hat, legen die Daten nahe, dass bei der Verwendung monoklonaler Antikörper bei SARCS-CoV-2-infizierten immungeschwächten Patienten das Risiko der Selektion von resistenten Virusvarianten besteht, insbesondere  wenn unter der Antikörpertherapie die Virämie für längere Zeit perisitiert [Jensen, B et al. 2021] .

Remdesivir: Das Adenosin-Analogon Remdesivir ist ein Inhibitor der RNA-abhängigen RNA-Polymerase (RdRp). Remdesivir (200 mg i.v. an Tag 1, 100mg i.v. Tag 2-5) zeigte in der randomisierten, Plazebo-kontrollierten ACTT1-Studie eine statistisch signifikante Verkürzung der COVID-19 Krankheitsphase von 15 auf 11 Tage, p<0,001. Die Gesamtmortalität war unter Remdesivir mit 8,0% versus 11,6% unter Placebo nicht signifikant unterschiedlich (P=0,59) [Beigel, JH et al. 2020] . Auch in der SOLIDARITY-Studie war die Behandlung mit Remdesivir nicht mit einem verbesserten Überleben assoziiert [Pan, H et al. 2021] . Die offene, randomisierte DisCoVeRy-Studie zeigte zudem keinen klinischen Nutzen von Remdesivir bei hospitalisierten COVID-19 Patienten, die länger als sieben Tage symptomatisch waren und Sauerstoffunterstützung benötigten [Ader, F et al. 2022] .

Der Einsatz von Remdesivir kann jedoch in der frühen Infektionsphase (in den ersten 5-7 Tagen nach Symptombeginn) sinnvoll sein. Bei 562 nicht hospitalisierten Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung, war eine dreitägige Remdesevir-Behandlung mit einem akzeptablen Sicherheitsprofil assoziiert und reduzierte das Risiko einer Hospitalisierung oder eines Todes um 87 % im Vergleich zu Plazebo (PINETREE-Studie) [Gottlieb, RL et al. 2022] . Die Notwendigkeit der intravenösen Applikation schränkt jedoch die breite Anwendung von Remdesivir im ambulanten Bereich ein.

Trotz präklinischer Untersuchungen, die reversible Transaminasen-Erhöhungen zeigten, hat die Anwendung von Remdesivir in kontrollierten Studien im Vergleich zu Placebo keine signifikante Hepatoxizität gezeigt (Transaminasenerhöhung in 4 % vs. 5,9 %). Relevante Arzneimittelwechselwirkungen existieren nicht, die Nierenfunktion sollte unter Therapie kontrolliert werden.

Spezifische Empfehlungen für Remdesivir: Remdesivir i.v. sollte nicht bei symptomatischen Patienten mit invasiver Beatmung angewendet werden. Bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19-Pneumonie, die eine Low-Flow-/High-Flow-Sauerstofftherapie oder eine nicht-invasive Beatmung benötigen, kann keine Empfehlung für oder gegen eine Therapie mit Remdesivir gegeben werden. Eine Behandlung kann in dieser Situation je nach Erfahrung und verfügbaren alternativen Optionen in Betracht gezogen werden. Remdesivir i.v. kann in der Frühphase der SARS-COV2-Infektion (innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten der Symptome), wenn ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf besteht.

Nirmatrelvir ist ein Inhibitor der viralen 3CL-Protease. Die Kombination mit Ritonavir (/r), einem starken Inhibitor von Cytochrom P450 (CYP), insbesondere 3A4, und P-Glykoprotein, ermöglicht die orale Anwendung von Nirmatrelvir mit Erreichen ausreichend hoher Wirkspiegel. Nirmatrelvir/r reduzierte nach den vorliegenden Studienergebnissen bei nicht hospitalisierten Patienten mit leichten oder mittelschweren COVID-19-Symptomen (ohne Bedarf an zusätzlichem Sauerstoff) und mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf die Hospitalisierungs- und/oder Sterblichkeit im Vergleich zu Placebo signifikant (6,5 % vs. 0,7 % [relative Risikoreduktion 89 % bei Beginn innerhalb von 3 Tagen nach Symptombeginn, absolute Risikoreduktion 5,8 %, Number needed to treat ca. 17]). Die Behandlung wurde in dieser Studie so früh wie möglich eingeleitet, spätestens jedoch innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten der Symptome [Hammond, J et al. 2022] .

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die während der Behandlung und bis zu 34 Tage nach der letzten Nirmatrelvir-Dosis gemeldet wurden, waren Dysgeusie (5%), Durchfall (4%) und Erbrechen (1%). Bei Nirmatrelvir/r müssen aufgrund der Ritonavir-Komponente zahlreiche klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen geprüft werden. Websites zur Überprüfung der Wechselwirkungen sind verfügbar. Dies ist insbesondere für Transplantatempfänger wichtig, da Ritonavir zu Veränderungen der Wirkstoffspiegel von Immunsuppressiva führen kann. Ergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Patienten mit Leberzirrhose oder Transplantatempfängern existieren bisher nicht, ebenso fehlend Daten zum Nachweis der Effizienz der Nirmatrelvir/r-Therapie bei Infektion mit SARS-CoV-2-Omicronvarianten. Die Wirksamkeit sollte aufgrund von in vitro Daten aber nicht eingeschränkt sein [Ullrich, S et al. 2022] , [Li, P et al. 2022] .

Spezifische Empfehlungen für Nirmatrelvir/r: Nirmatrelvir/r kann (innerhalb von 5 Tagen nach Symptombeginn) bei Erwachsenen mit COVID-19 appliziert werden, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf, aufweisen. Aufgrund der Erfahrungen mit Proteaseinhibitoren bei der Behandlung von chronischer Hepatitis C sollte Nirmatrelvir/r nicht bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose (Child-Pugh C) und nur mit Vorsicht bei Patienten mit Child-Pugh B-Zirrhose verabreicht werden, wenn keine anderen Optionen bestehen.

Das Nukleosidanalogon Molnupiravir reduzierte die Hospitalisierungs- und/oder Sterberate im Vergleich zu Plazebo bei nicht hospitalisierten Patienten mit leichten oder mäßigen COVID-19-Symptomen (ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf) und mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf signifikant (9,7 % unter Placebo vs. 6,8 % unter Molnupiravir [relative Risikoreduktion 30 %, absolute Risikoreduktion 3 %, Number needed to treat ca. 33]) [Jayk Bernal, A et al. 2022] .

Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Ergebnisse der Behandlung waren Durchfall (3%), Übelkeit (2%), Schwindel (1%) und Kopfschmerzen (1%). Besondere Aufmerksamkeit sollte dem mutagenen und wahrscheinlich teratogenen Potenzial von Molnupiravir gewidmet werden, weshalb seine Anwendung während der Schwangerschaft oder bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert ist. Bislang gibt es keine Daten für Patienten, die mit der SARS-CoV-2 Variante Omicron infiziert sind, ebenso existieren, keine Daten für Patienten mit Leberzirrhose oder nach Transplantation. Da Molnupiravir ein Polymerase-Inhibitor ist, sollte eine Mutation im Spike-Protein (z. B. Omikron) keinen Einfluss auf seine Wirksamkeit haben [Takashita, E et al. 2022] .

Molnupiravir wird renal eliminiert, so dass die Gabe auch bei Patienten mit Zirrhose unbedenklich sein sollte. Signifikante Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (DDI) sind bisher nicht bekannt. Aufgrund der möglichen Auswirkungen von Molnupiravir auf die SARS-CoV-2-Mutationsrate forderte die FDA den Hersteller auf, Verfahren zur Überwachung hinsichtlich des Auftretens von SARS-CoV-2-Varianten (genomische Datenbanken) einzuführen.

Spezifische Empfehlungen für Molnupiravir: Molnupiravir kann an nicht schwangere Erwachsene mit COVID-19 verabreicht werden, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf, einschließlich Krankenhausaufenthalt, haben. Die Behandlung soll so früh wie möglich eingeleitet werden, spätestens innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten der Symptome. Eine 5-tägige Behandlung scheint sicher zu sein und hat keine offensichtlichen kurzfristigen Nebenwirkungen. Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, einschließlich Zirrhose (Child A-C), Transplantatempfänger und Patienten mit hepatozellulärem Karzinom können behandelt werden.

Immunmodulierende Therapie
Dexamethason: Daten aus einer großen prospektiven randomisierten kontrollierten Studie haben gezeigt, dass eine kurze Dexamethason-Behandlung (6 mg einmal täglich über einen Zeitraum von bis zu 10 Tagen) die Überlebenschancen von Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung, die Sauerstoff benötigen oder mechanisch beatmet werden (zweite Phase der Erkrankung), verbessern kann [Drug Ther Bull et al. 2020] . In einer Metaanalyse klinischer Studien mit kritisch kranken Patienten mit COVID-19 war die Verabreichung systemischer Kortikosteroide im Vergleich zur üblichen Behandlung oder zu Placebo mit einer niedrigeren 28-Tages-Sterblichkeit assoziiert [Sterne, JAC et al. 2020] . Die empfohlene Dosis Dexamethason entspricht 40 mg Prednison pro Tag. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bereits unabhängig von der Dexamethason-Behandlung das Risiko von sekundären Infektionen bei schwerer COVID-19-Erkrankung erhöht ist [Rawson, TM et al. 2020] und dieses bei Patienten mit Leberzirrhose aufgrund der Zirrhose-assoziierten Immundysfunktion nicht erhöht werden kann [Albillos, A et al. 2014] . Der Nutzen der Anwendung von Dexamethason bei Patienten mit Leberzirrhose mit COVID-19 ist daher nicht gesichert. Insgesamt könnten jedoch die Vorteile der Therapie bei kritisch kranken Patienten überwiegen. Bei Risikokonstellation (Aszites) kann eine antimikrobielle Prophylaxe erwogen werden. Das Risiko einer Hepatitis B Reaktivierung ist bei kurzzeitiger Therapie mit Dexamethason als gering einzuschätzen, aber auch nicht ausgeschlossen. Ein Screening auf HBsAg/anti-HBc kann erfolgen.

Janus-Kinase 1/2-Inhibitor Baricitinib: Baricitinib ist ein oral verabreichter selektiver Janus-Kinase-1/2 JAK-Inhibitor mit bekannten entzündungshemmenden Eigenschaften. In der ACTT-2-Studie mit 1033 Patienten war Baricitinib plus Remdesivir der alleinigen Remdesivir-Behandlung bei Patienten mit COVID-19 überlegen, insbesondere bei denjenigen, die high-flow Sauerstoff oder eine nicht-invasive Beatmung erhielten (10 versus 18 Tage Erholungszeit). Die 28-Tage-Mortalität betrug 5,1 % in der Kombinationsgruppe und 7,8 % in der Kontrollgruppe [Kalil, AC et al. 2021] .

Die COV-BARRIER-Studie mit 1525 Teilnehmern zeigte, dass die Behandlung mit Baricitinib zusätzlich zur Standardbehandlung (einschließlich Dexamethason) ein ähnliches Sicherheitsprofil wie die alleinige Standardbehandlung aufwies und mit einer geringeren Sterblichkeit (10 % gegenüber 15 %) bei hospitalisierten Erwachsenen mit COVID-19 verbunden war [Marconi, VC et al. 2021] .

Selbst bei schwerkranken Patienten mit COVID-19, die invasiv mechanisch beatmet oder mit extrakorporaler Membranoxygenierung versorgt werden, scheint die Behandlung mit Baricitinib im Vergleich zu Placebo immer noch eine positive Wirkung zu haben. Dies wurde jedoch in einer explorativen randomisierten Studie mit nur 101 Patienten nachgewiesen, in der die Sterblichkeit bis Tag 28 in der Baricitinib-Gruppe 39 % gegenüber 58 % in der Placebo-Gruppe betrug. Die meisten Patienten (84 – 88 %) erhielten auch Dexamethason [Ely, EW et al. 2022] .

Eine retrospektive Studie an 197 Patienten mit COVID-19-Pneumonie zeigte, dass die 30-Tage-Sterblichkeit bei Patienten, die mit Baricitinib plus Dexamethason behandelt wurden, signifikant niedriger war als bei der Dexamethason-Monotherapie (20,3 % gegenüber 40,5 %), was dafürspricht, dass Dexamethason nach Möglichkeit zusätzlich eingesetzt werden sollte [Pérez-Alba, E et al. 2021] . Andere JAK-Inhibitoren wie Ruxolitinib und Tofacitinib zeigten eine vergleichbare Wirksamkeit [Guimarães, PO et al. 2021] , [Florescu, DF et al. 2021] . Daten zum Einsatz von JAK-Inhibitoren bei Patienten mit Leberzirrhose sind nicht bekannt.

Ein Anstieg der Transaminasenwerte wurde in klinischen Studien mit JAK-Inhibitoren allerdings häufig beobachtet. Baricitinib weist jedoch keine physiochemischen und pharmakokinetischen Eigenschaften auf, von denen bekannt ist, dass sie bei Leberschäden eine Rolle spielen; das Medikament ist nicht sehr lipophil und wird nur geringfügig durch CYP3A4 metabolisiert. Bisher wurden auch nur vorübergehende und in der Regel leichte Erhöhungen der Leberparameter, aber keine klinisch bedeutsamen akuten Leberschäden im Zusammenhang mit der Behandlung mit COVID-19 berichtet [Gatti, M et al. 2021] .

Hepatitis-B-Reaktivierungen können unter der Therapie mit JAK-Inhibitoren selbst bei HBsAg-negativen/anti-HBc-positiven Patienten auftreten. Daher sollte ein HBsAg/anti-HBc Screening erfolgen, und HBsAg-positive Personen sollten prophylaktisch mit Nukleos(t)idanaloga behandelt werden. HBsAg-negative/Anti-HBc-positive Personen können mit Nukleos(t)idanaloga behandelt werden oder sollten mittels HBV DNA-Testungen monitoriert und spätestens dann behandelt werden, wenn die HBV-DNA im Serum nachweisbar ist [Harigai, M et al. 2020] .

Tocilizumab ist ein rekombinanter humanisierter monoklonaler Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper, der die Bindung von IL-6 sowohl an Membran- als auch an lösliche IL-6-Rezeptoren hemmt, wodurch die IL-6-Signalübertragung blockiert und Entzündungen reduziert werden. In der randomisierten, kontrollierten, offenen RECOVERY-Studie verbesserte Tocilizumab das Überleben und andere klinische Ergebnisse bei hospitalisierten COVID-19-Patienten mit Hypoxie und systemischer Entzündung. Diese Vorteile wurden unabhängig vom Umfang der Beatmungsunterstützung beobachtet und waren zusätzlich zu den Vorteilen systemischer Kortikosteroide zu beobachten [Lancet et al. 2021] .

Eine Metaanalyse von 27 Studien mit 10.930 Patienten bestätigte die Wirksamkeit von Tocilizumab und Sarilumab. Im Vergleich zur Standardtherapie betrugen die Odds-ratios (ORs) für die Sterblichkeit 0,77 bzw. 0,92. Auch die ORs für die Progression zu invasiver mechanischer Beatmung oder Tod im Vergleich zur üblichen Behandlung oder Placebo betrugen 0,77 für alle IL-6-Antagonisten, 0,74 für Tocilizumab und 1,00 für Sarilumab. Sekundärinfektionen traten nach 28 Tagen bei 21,9 % der mit IL-6-Antagonisten behandelten Patienten gegenüber 17,6 % der mit der üblichen Behandlung oder Placebo behandelten Patienten auf [Shankar-Hari, M et al. 2021] .

HBsAg-positive Patienten, die mit monoklonalen Anti-IL6-Rezeptor-Antikörpern behandelt werden, haben ein moderates Risiko einer Reaktivierung von Hepatitis B. Bei HBsAg-negativen / Anti-HBc-positiven Personen ist das Risiko einer Reaktivierung jedoch gering [Koike, T et al. 2011] , [Chen, LF et al. 2017] , [Campbell, C et al. 2021] . Da die Therapiedauer bei COVID-19 kurz ist, fällt das Risiko einer HBV-Reaktivierung vermutlich insgesamt gering aus. Dennoch empfehlen wir, dass auf das Vorhandensein von HBsAg und Anti-HBc vor einer Tocilizumab-Therapie getestet wird. HBsAg-positive Personen können eine prophylaktische NA-Behandlung erhalten, und HBsAg-negative/anti-HBc-positive Personen sollten hinsichtlich einer HBV-Reaktivierung monitoriert werden.

Die gleichzeitige Verabreichung von JAK-Inhibitoren mit IL6-Inhibitoren sollte vermieden werden, um das Risiko einer additiven Immunsuppression und des nachfolgenden Auftretens schwerer (bakterieller) Infektionen zu vermeiden.

Weitere Therapieansätze
Zahlreiche weitere Therapieansätze sind getestet worden. Lopinavir/Ritonavir, Azithromycin, Colchizin, Hydroxychloroquin und Ivermectin sollen nicht zur Therapie einer SARS-CoV-2 Infektion eingesetzt werden. Für den Einsatz von Nitatoxamid, Famotidin, Budesonid, Interferon beta, Anakinra wird kein Einsatz außerhalb klinischer Studien empfohlen.

Rekonvaleszenzplasma sollte bei Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion nicht verwendet werden [Janiaud, P et al. 2021] .

Fluvoxamin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer und σ-1-Rezeptor (S1R)-Agonist, kann angesichts der dokumentierten Wirkung (s.u.), des Nebenwirkungsprofils, der einfachen Anwendung, der geringen Kosten und der breiten Verfügbarkeit bei Hochrisikosituationen erwogen werden, wenn keine anderen Medikamente zur Vorbeugung schwerer COVID-19 Erkrankung zur Verfügung stehen. Die TOGETHER-Studie zeigte in einer Population von fast 1500 Patienten mit einem Risiko für schwere COVID-19 und Symptomen, die innerhalb von 7 Tagen nach dem Screening die Therapie mit Fluvoxamin (100 mg zweimal täglich über 10 Tage) begonnen hatten im Vergleich zu Plazebo eine reduzierte Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung (absolute Risikoreduktion um 5% und 32% relative Risikoreduktion). 

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